Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.02.2022:
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20. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage „neoliberale Vorgangsweise der Sozialdemokratie in der Causa WBV-GFW bzw. WBV-GÖD um Michael Tojner“

GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) begründete die Dringliche Anfrage damit, dass der soziale Wohnbau, „zum roten Sumpf verkommen“ sei. Aus einer einstigen „schönen Geschichte“ seien „verfallende Gemeindebauten, Mietspekulationen, die Wohnraum oft günstigst von der Stadt kaufen und teuer verkaufen“ geworden. Die Freiheitlichen hätten aufgedeckt, dass der Bauträger ARWAG „still und heimlich verscherbelt“ worden sei. Krauss erwähnte weitere Ungereimtheiten, die „gerade von Juristen rechtlich geprüft werden“. Politisch sei aber jetzt schon klar, dass die Stadt diese Vorgänge zugelassen habe und das sei „fahrlässig, dass Tojner sich ungeniert an gemeinnützigem Wohnbau bedienen kann“. Dem damaligen Wohnbaustadtrat und jetzigem Bürgermeister sei vorzuwerfen, dass ein „Immobilienspekulant gemeinnützigen Wohnbau zerschlägt und Geschäfte macht“. Sozialer Wohnbau solle für Wiener*innen bereitstehen und „nicht für Gewinne“. Der Revisionsverband würde diesen Skandal nun prüfen. Krauss warf der Stadt vor, dass der Leiter der MA 50 keine „verbindlichen Schritte“ veranlasst habe und die Stadt trotz Kritik nicht eingeschritten sei. Es seien „Erkenntnisse schubladisiert worden, es habe kein Interesse an personellen Konsequenzen oder an politischer Aufklärung seitens der Stadtregierung gegeben“. Er kritisierte vehement, dass der Bürgermeister dem Treiben kein Ende gesetzt habe, „vielleicht galant weggesehen oder einen Trick angewandt habe, um Tojner zu unterstützen. Damit wollen wir Sie nicht durchkommen lassen“. Er hoffte, dass er sich nicht hinter Formalitäten zurückziehen, sondern sachlich antworte.

Bürgermeister Dr. Michael Ludwig (SPÖ) erläuterte, dass GR Krauss zurecht angesprochen habe, es handle sich um eine „Querschnittmaterie“. Er bezweifelte allerdings, ob die Fraktion „das richtige Gremium für die Behandlung dieser dringlichen Anfrage gewählt hat. Denn ich möchte grundsätzlich festhalten, dass sich das Anfragerecht auf Gemeindeebene nach den einschlägigen Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung nur auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde bezieht, wozu sowohl Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung als auch der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde zählen“. Im vorliegenden Zusammenhang sei weiters festzuhalten, dass „gemäß § 29 Absatz 1 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, kurz WGG, die gesamte Geschäftsführung gemeinnütziger Bauvereinigungen der behördlichen Überwachung durch die Landesregierung unterliegt.“ So bedürfe eine Vereinbarung über den Erwerb von Anteilen betreffend gemeinnützige Bauvereinigungen der Zustimmung der Landesregierung.

Vor dem Hintergrund weiterer Paragraphen ergebe sich, dass sämtliche Fragen, die auf die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen und daher auf die Landesvollziehung Bezug nehmen würden, „nicht die Voraussetzungen der Wiener Stadtverfassung für eine Dringliche Anfrage auf Gemeindeebene erfüllen, da sie nicht den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde betreffen.“ Nichtsdestotrotz wollte Bürgermeister Ludwig Grundsätzliches festhalten, um eine inhaltliche Diskussion zu ermöglichen, die Wien keineswegs scheue: So betonte er zunächst, dass die Wiener Landesregierung „ihrer Rolle als Aufsicht umfassend und nach allen rechtlichen Möglichkeiten nachgekommen ist – und zwar strengen Auges, aber im Rahmen der Rechtstaatlichkeit, sachlich und unabhängig, in gutem Einvernehmen mit dem Revisionsverband sowie stets im Interesse der Wohnungsgemeinnützigkeit“. Weiters wies er darauf hin, dass die Landesregierung „immer nur die Spielregeln vollziehen kann, die der Bund im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz macht“. Wie dem Bürgermeister mitgeteilt worden sei, „sind keine gemeinsamen Bewerbungen der Wertinvest mit der WBV-GFW bzw. WBV-GÖD um Liegenschaften der Magistratsabteilung 69 aktenkundig.“ Zu den Fragen 5 bis 7 teilte der Bürgermeister mit, dass der erwähnte Antrag 2010 zurückgezogen worden sei und eine Entscheidung der Landesregierung daher nicht vorliege. Zur Frage 8 nach einem Statement von Herrn Tojner betonte der Bürgermeister, es liege in der Deutungshoheit des Kommunikators. Zu den Fragen 9 und 10 hielt er fest, dass „die maßgeblichen Sachverhalte über die wahren Eigentumsverhältnisse seit dem Sonderprüfbericht des Revisionsverbandes im 2. Halbjahr 2017 der Magistratsabteilung 50 bekannt“ seien. Die bundesgesetzlichen Regelungen hätten aber erst 2018 ermöglicht, die Anteilsübertragung zu versagen. Auch zu einer Funktionsenthebung habe es erst im Juni 2020 kommen können, da es früher keine Beanstandungen seitens des Revisionsverbandes gegeben habe. Zu den Fragen 11 ­bis 13 stellte er fest, dass aufgrund der Gesetzesänderung rückwirkend keine Anteilserwerber vorhanden gewesen seien, daher sei es zu keinem Verstoß gekommen. „Zumal die Anteilsübertragungen aus den Jahren 2008 bis 2015 vom Landesverwaltungsgericht Wien genehmigt wurden, wurden im Jänner 2022 im Firmenbuch die entsprechenden Eigentumsverhältnisse ersichtlich gemacht. Die Anteilsübertragungen nach dem Jahr 2015 sind Gegenstand eines aktuell beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens.“ Die aktuellen Anteilseigner an der WBV-GFW seien bereits von der MA 50 als Aufsichtsbehörde aufgefordert worden, eine „neue Geschäftsführung und einen neuen Aufsichtsrat zu bestellen“. Zu den Fragen 15 bis 17 sagte Ludwig: „Die sich abzeichnende juristische Klärung im Sinne des ÖSW ist auch eine Klärung im Sinne der Gemeinnützigkeit“. Die Einsetzung eines Regierungskommissärs mit umfassenden Aufsichtsrechten sei im Oktober 2019 einstimmig beschlossen worden und bis Dezember 2022, verlängert. Weiters liege derzeit „kein vom Revisionsverband bestätigter Zuverlässigkeitsmangel“ vor.

Der Bürgermeister sagte außerdem, dass die MA 50 „zu jedem Zeitpunkt seriös und auf Basis der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Rechtsgrundlage gehandelt hat“. Sie unterziehe sich – genau wie alle anderen Dienststellen des Magistrats – „einer laufenden und ständigen Evaluierung mit dem Ziel, Verbesserungspotenziale zu erheben“. Die Stadt Wien sei immer daran interessiert, sich entsprechend den Anforderungen der Zeit weiterzuentwickeln. Nur so könne die Metropole weiterhin optimal für die Wiener*innen arbeiten. Zu den Fragen 26 bis 29 betonte Bürgermeister Ludwig erneut, dass die Wiener Landesregierung nach geltender Rechtslage gehandelt habe und immer nur die Spielregel vollziehen könne, die der Bund mache. Sie habe „unmittelbar entsprechend reagiert und einer Anteilsübertragung einstimmig die Genehmigung versagt.“ Erst durch die erwähnte Gesetzesnovelle im Jahr 2018 stelle der Gesetzgeber klar, dass „auch mittelbare Anteilserwerbe von einer Genehmigungspflicht umfasst“ seien. „Bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit bedürfen der Zustimmung der Landesregierung Vereinbarungen über den Erwerb von Anteilen an Unternehmungen, deren überwiegender Geschäftszweck der mittelbare oder unmittelbare Erwerb sowie das mittelbare oder unmittelbare Halten und Verwalten von Anteilen an Bauvereinigungen ist,“ sagte Ludwig abschließend.

StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) bedankte sich bei Bürgermeister Ludwig für die umfassende Antwort. Er hätte sich zwar ein „politisches Statement gewünscht, Fehler einzugestehen und gegen Spekulanten einzutreten sowie in Zukunft vehement dagegen aufzutreten“, aber es sei zugegebenerweise ein sperriges Thema. Er fasste kurz zusammen: „Einer ihrer Genossen habe versucht, sozial geförderten Wohnbau, also viele geförderte Wohnungen an Herrn Tojner zu verkaufen.“ „Unserer Meinung nach hätte Bürgermeister Ludwig als Wohnbaustadtrat dem einen Riegel vorschieben müssen und sich nicht erst damit befassen, wenn Gerichte sich damit beschäftigen. Dann komme es zur Rückabwicklung „statt Verscherbelung“. Das sei „nicht der einzige Fall, dass mit Gemeindewohnungen so umgegangen“ werde. Nepp kritisierte den „Sanierungsrückstau bei Mietobjekten im Ausmaß von fünf Milliarden Euro“, wobei die Sanierungsrate nur zu 45 Prozent umgesetzt werde. Der „normale Zyklus von 30 Jahren, sei auf 67 Jahre verlängert“ worden. „Das heißt, 150 Wohnungen sind sanierungsbedürftig“. Die Wiener*innen hätten es sich nicht verdient, „so im Stich gelassen“ zu werden. Es würde in Gemeindebauten hineinregen, es gebe keine Barrierefreiheit – Lifte würden wochenlang nicht funktionieren. Hätte die FPÖ nicht so einen Wirbel gemacht, „hätten sie das still und heimlich weiter gemacht“. es werde immer nur betont, dass gebaut werden müsse, er frage sich, „wieso passiert nie was?“ Und auch die Leerstandsabgabe werde nicht funktionieren. Allein der Bürgermeister könne den Anstieg des Richtwerts verhindern, das wäre „eine soziale Aufgabe und Verantwortung“. Die „ständige Streiterei zwischen Stadt und Bund“ sei nicht zielführend, vielmehr müssten die Menschen entlastet werden, auch bei Wasser-, Kanal- und Müllgebühren. Abschließend betonte Nepp, das Thema leistbarer Wohnbau würde „stiefmütterlich behandelt. Statt Lippenbekenntnissen sollten Fakten geschaffen werden.“

GRin Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) bedankte sich für die ausführliche Beantwortung der Anfrage. Das Thema sei sehr komplex und eine große Herausforderung, aber „umso wichtiger ist es, genau hinzuschauen und Spekulation im geförderten Wohnbau unbedingt einen Riegel vorzuschieben“. Es wäre in dieser Sitzung bereits umfassend über Transparenz diskutiert werden und über Chancengleichheit, dass gelten müsse, „es zählt, was du kannst, nicht wen du kennst“. Das könne auch auf den sozialen Wohnbau übertragen werden, es sei klar, „wem steht er zu, wem nicht“. Den Wiener*innen müsse ermöglicht werden, dass viele Wohnungen leistbar seien. Der soziale Wohnbau sei auch ein „großer Hebel, die Klimaneutralität 2040 zu erreichen, was wiederum den Vorteil habe, von Großmächten unabhängig zu werden. Sie bedauerte sehr, dass die FPÖ dem Klimafahrplan nicht zustimme, das Ziel nicht wahrnehme und unterstützen könne. Arapovic betonte den großen Willen nach Transparenz und dass das entsprechendes Gesetz auf Weg gebracht worden sei. Es seien außerdem „alle eingeladen, auf der Plattform anonym einzumelden, um solche Ungereimtheiten – so es sie gibt – auf den Grund gehen zu können.“ Denn: sozialer Wohnbau muss geschützt werden.

GR David Ellensohn (GRÜNE) erklärte zu Beginn, es gehe „um die günstigsten Wohnungen, die es in ganz Österreich zu mieten gibt“. Die Kosten liegen derzeit bei vier Euro pro Quadratmeter. „Dann gibt’s Immobilienspekulanten und Politiker, die das möglich machen“. In Wien seien dadurch „leider sehr viele solcher Wohnungen verloren gegangen, weil dieses Geschäftsmodell erfolgreich war“. Jetzt klinge der frühere Wohnbaustadtrat Ludwig so, als habe er keine andere Möglichkeit gehabt, „das ist falsch und leicht zu beweisen“, sagt Ellensohn. Er beschrieb wie sich Immobilienspekulanten von Bundesland zu Bundesland bewegen würden, um endlich eine Landesregierung zu finden, die die Gemeinnützigkeit aberkennen würde. So geschehen im Burgenland, in der früheren rot-blauen-Regierung, auch da die Wohnungen selbst ja in anderen Bundesländern wie Wien seien. 17 Millionen Euro habe die Landesregierung erhalten, die den Status aberkenne. So würden günstige Wohnungen in die Hände von Spekulanten kommen. Er habe mit den Leuten gesprochen, wie es ihnen nach dem Eigentümerwechsel gehe. Zum Beispiel im 19. Bezirk würden die Menschen aus den billigen Wohnungen „rausgehaut“, egal ob sie alt, schwanger oder bedürftig seien. Dann würden die Wohnungen teuer verkauft werden. Ellensohn zitierte aus einem Bericht von Die Presse, wonach ein „rotgrüner Krach“ attestiert wurde, da sich die Grünen dem Deal zwischen dem damaligen Wohnbaustadtrat Ludwig und Tojner quer gelegt hätten. Nun heiße es, die Aberkennung habe nicht verhindert werden können. Ellensohn plädierte vehement dafür, dass „den Zockern nicht der rote Teppich ausgerollt“ werden dürfe, „So stolz wir sein können, dass wir viele gemeinnützige Wohnungen haben, so wenig sollten wir sie verschleudern“. Das sollte allen Parteien ein Anliegen sein, um künftige Zockereien verhindern zu können.

GR Dr. Peter Sittler (ÖVP) betonte, Wien rühme sich als „Aushängeschild des gemeinnützigen Wohnbaus“ und das sei gut, denn eine Privatisierung wäre „nicht nur kontraproduktiv, sondern fahrlässig“. Er beschrieb das Wesen von gemeinnützigen Genossenschaften, die Gewinne nur in geringem Maß ausschütten würden und den Großteil wieder in gemeinnützigen Wohnbau investieren müssten. Seitens der Stadt dürfe die „unentschlossene Aufsichtsbehörde MA 50, nicht zum Spielball von Spekulanten“ werden und Verlockungen nicht erliegen. In Richtung seiner Vorredner der FPÖ erwähnte er noch die inhaltlichen Ungereimtheiten in der Dringlichen Anfrage, die auch teilweise schon richtiggestellt worden seien. Es gehe in erster Linie darum, wie die SPÖ dafür sorgen könne, dass die MA 50 als Aufsichtsorgan endlich den daraus erwachsenden Pflichten richtig nachkommen könne. Sittler erwähnte das Beispiel GESIBA, die zu hundert Prozent Wien gehöre und über die viel Geld bei einer kleinen Bank in Mattersburg versenkt worden sei und es nicht die Mühe wert war, den Fall nachzuverfolgen. Seit 2018 würde „herumgewurschtelt, statt den Revisionsverband anzurufen“. Nach einigen Jahren würde es laut Medienberichten zur Rückabwicklung kommen. Die SPÖ müsse „aktiv den Verlust der Gemeinnützigkeit in Zukunft verhindern und die MA 50 müsse endlich der Aufsichtspflicht nachkommen“.

(Forts.) heb

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