Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.03.2022:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

21. Wiener Gemeinderat (4)

Genehmigung einer humanitären Soforthilfemaßnahme Wiens für die Ukraine im Wege der Austrian Development Agency

StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) sprach über die Situation ukrainischer Flüchtlinge: Millionen Ukrainer*innen seien derzeit dazu gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Mit ihnen müsse man sich solidarisch zeigen. Österreichs sei neutral, aber das bedeute Kraus zufolge nicht, dass man angesichts dieses Krieges untätig bleiben sollte. Er kritisierte, dass die Wiener FPÖ die Ukraine als korrupt bezeichnete, während sie sich kaum über Russland äußerte. Europa stehe für Zusammenarbeit und friedliche Konfliktlösung. Diese Grundordnung habe Russland angegriffen. Für Kraus sei es eine Selbstverständlichkeit, flüchtenden Menschen zu helfen, Menschen- und Völkerrechte einzuhalten und weiterhin friedliche Werte zu vertreten. Wichtig sei zudem, durch mehr erneuerbare Energien von Russland unabhängig zu werden.

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) meinte, der Krieg sei eine Bedrohung für das österreichische Wertesystem. Sie sehe eine verstärkte Zusammenarbeit der europäischen Staaten, etwa hinsichtlich der Sanktionen gegenüber Russland. Hungerländer lobte vor allem die politische Bereitschaft in Wien und ganz Österreich: Wien drücke wie ganz Österreich Solidarität aus und würde humanitäre Hilfe leisten. Hungerländer zufolge würden vor allem ukrainische Frauen und Kinder nach Wien flüchten. Für geflüchtete Frauen und Mädchen sei die Flucht gefährlich, etwa aufgrund von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Gewalt. Hungerländer brachte deshalb einen Antrag betreffend Schutz ukrainischer Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein. Darin forderte die ÖVP Wien ein niederschwelliges Informationsangebot und einen Präventionsmaßnahmenkatalog in ukrainischer Sprache zu erarbeiten, um aus der Ukraine geflüchtete Frauen und Kinder vor potenzieller sexueller Gewalt zu schützen. Hungerländer kritisierte, dass die FPÖ Wien angekündigt hatte, dem Antrag nicht zuzustimmen und ortete fehlende politische Kompetenz bei den Freiheitlichen bezüglich des Ukraine-Kriegs.

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) bezeichnete den Ukraine-Krieg als „systemischen Krieg eines Unrechtssystems in der russischen Föderation“. Es stehe Österreich als neutrales Land nicht zu, zu beurteilen, wie Länder regiert werden. Florianschütz kritisierte, dass im Ukraine-Krieg die Seiten in „gut“ und „schlecht“ eingeteilt und damit polarisiert werde. Fest stehe, dass es in diesem Krieg Opfer gibt. In dieser Krise würden sich die guten Eigenschaften der Menschen in Europa wie Menschlichkeit, Teilhabe und Mitgefühl zeigen: „Das macht mir Mut“, sagte Florianschütz. Es gehe letztlich darum, eine friedliche gemeinsame Welt zu schaffen bzw. zu erhalten. Das Ziel sollte sein, Kriege global – und nicht nur auf europäischem Boden – zu verhindern. Vor diesem Hintergrund sei die Neutralität Österreichs umso wichtiger, meinte Florianschütz. Österreichs Neutralität sollte beibehalten werden, denn sie bedeute Beiträge zu leisten, um Kriege zu vermeiden, Frieden zu erhalten und für Verständnis zu sorgen. Florianschütz meinte auch: „Natürlich sollten wir uns von russischem Gas und Öl unabhängig machen“ – aber das liege nicht nur am Ukraine-Krieg. Florianschütz brachte zwei Anträge ein: Einen gemeinsam mit den Wiener NEOS betreffend Befreiung von Lenker*innen in der Ukraine zugelassener PKWs von der Parkometerabgabe, und einen Mehrparteienantrag gemeinsam mit den Wiener NEOS, Wiener Grünen und ÖVP Wien betreffend die Verurteilung des Angriffs auf die Ukrainische Republik. Darin spricht sich der Wiener Gemeinderat unter anderem für eine friedliche Lösung des Konfliktes aus und für eine Unterstützung aller Aktivitäten auf internationaler Ebene, um dieses Ziel zu erreichen.

GR Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) zufolge habe es in den letzten Jahrzehnten auch in Europa kriegerische Verhältnisse gegeben. „Krieg sollte es nicht geben, aber man muss realistisch bleiben“, forderte Kowarik. Der Ukraine-Krieg habe auch in Österreich zu einem Umdenken geführt, das sei etwa anhand der Stärkung von Miliz und Bundesheer ersichtlich. Die Neutralität Österreichs sei innerstaatlich verfassungsrechtlich verankert. Neutralität bedeute Kowarik zufolge nicht Beliebigkeit, Unehrlichkeit oder „falsch verstandene Moralapostel“. Er pflichtete seinem Vorredner Florianschütz von der SPÖ bei: Es gebe ständig Krieg auf der Welt. Einige Staaten wie die USA würden Krieg als legitime Mittel für Interessensdurchsetzung erklären – hier habe es in der Vergangenheit keine Sanktionen von Österreich gegeben, obwohl die völkerrechtliche Beurteilung, etwa im Irak-Krieg, eindeutig gewesen sei. Hinsichtlich der Neutralität forderte Kowarik daher mehr Ehrlichkeit und ein gemeinsames Verständnis, was Neutralität bei völkerrechtlichen Brüchen bedeute. Kowarik forderte zudem, dass die Wiener Bevölkerung ehrlich darüber informiere, was es bedeute, in Österreich kein Gas mehr zu von Russland erhalten. Dass es schlecht ist, von russischem Gas abhängig zu sein, sei Österreich auch schon vor dem Ukraine-Krieg bewusst gewesen. Aber es sollte klar sein: „Wir brauchen das Gas.“ Kowarik wiederholte die Aussage seines Vorredners Krauss von der FPÖ, die Ukraine sei korrupt, weshalb sie nicht „mit einem Hurra in die Europäische Union aufgenommen werden kann“. Auch der Europäische Rechnungshof habe heuer bereits die fehlende Bereitschaft der Ukraine im Kampf gegen Korruption trotz finanzieller Unterstützung durch die EU kritisiert, so Kowarik. (Forts.) exm

Rückfragehinweis für Medien