Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.05.2022:
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23. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage

Um 16 Uhr wurde die Tagesordnung für eine Dringliche Anfrage der Grünen Fraktion im Gemeinderat an Bürgermeister Michael Ludwig mit dem Thema „Umgehende Aufklärung des medial kolportierten Vorwurfes des Vertuschens von Missbrauch in einem Wiener Kindergarten“ unterbrochen.

GR David Ellensohn (GRÜNE) verwies in seiner Begründung für die Anfrage auf die gestrig ausgestrahlte Sendung „Thema“ im ORF, in der auch Eltern zu Wort gekommen seien. Sie berichteten von Kindern, die nicht mehr in den Kindergarten gehen wollten, die sich einnässten oder Verletzungen im Genitalbereich aufwiesen. Am Elternabend seien Eltern vor Ort zusammengebrochen, weil sie nun einordnen konnten, was vor einem Jahr passiert sei mit ihren Kindern: „Ein Jahr danach ist es schwierig mit Kindern darüber zu reden, was passiert ist. Es braucht Prävention, um so etwas in Zukunft zu verhindern“, betonte Ellensohn. So hätte die Stadt einen Psychologen in die Gruppen schicken können, der dem Verdacht nachgehen hätte können, bevor man in Dialog mit Eltern eintrete. Stattdessen wurde eine Anzeige gemacht und der Beschuldigte wurde versetzt. Fraglich sei auch, warum die Leiterin ersetzt wurde, aber nicht die Person in der Ebene darüber, kritisierte Ellensohn. Er verwies auf dringend notwendige Präventionsarbeit, auch in Zusammenarbeit mit der Kinderjugendanwaltschaft und Kinderschutzzentren. Das jetzige Vorgehen wirke „empathiebefreit“, warf er den Verantwortlichen vor. Daher werde in der Dringlichen Anfrage auch die Kette der Informationspflicht hinterfragt, erklärte Ellensohn. „Jetzt geht es um die Kinder und die Eltern des Standorts“, so Ellensohn, der einmal mehr umfangreiche Präventionsmaßnahmen und Leitfäden forderte, damit „Eltern und Kinder damit nicht allein gelassen werden“. Es brauche neue Regeln, wenn solche Vorfälle passieren. „Wenn es nicht in der Zeitung gewesen wäre, hätte es keinen Elternabend gegeben“, mutmaßte Ellensohn. Abschließend betonte der Grünen-Gemeinderat, dass die Stadt etwas daraus lernen sollte, damit in Zukunft Eltern und Kinder besser geholfen werde.

Bürgermeister Dr. Michael Ludwig (SPÖ) betonte am Beginn seiner Beantwortung, dass die Stadt Wien als Trägerin fast 90.000 Plätze in elementaren Bildungseinrichtungen unterhalte. Daher sei es von höchster Priorität, diese Kindergartenplätze nicht nur breit verfügbar, kostenfrei und mit attraktiven Öffnungszeiten anzubieten, sondern auch besonderen Wert auf Qualität zu legen. „Die nun im Raum stehenden Vorwürfe gegen einen städtischen Kindergartenpädagogen machen daher sehr betroffen. Die berichteten Anschuldigungen sind schwerwiegend und für mich als Bürgermeister stehen eine lückenlose und transparente Aufklärung der stadtinternen Vorgänge sowie eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden an erster Stelle“, betonte Ludwig.

Fest stehe, dass es bei sexuellen Übergriffen auf Kinder keine Toleranz gebe und „es bei derartigen Fällen auch niemals ein Zudecken oder Wegschauen geben darf“. Daher wurde unmittelbar nachdem die Vorwürfe öffentlich bekannt wurden, eine Kommission zur Aufarbeitung der Ereignisse durch die weisungsfreie Kinder- und Jugendanwaltschaft eingesetzt. Zudem wurde bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft eine telefonische Meldestelle eingerichtet. Die Ergebnisse der Kommission sollen bis zum Sommer vorliegen, kündigte Ludwig an. Er betonte, dass auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse weitere Schritte und Konsequenzen geprüft werden.

Darüber hinaus wurde mit sofortiger Wirkung eine neue Standortleitung eingesetzt, um die pädagogische Qualität und das Vertrauensverhältnis wiederherzustellen, sagte Ludwig. Es wurde ein Elternabend am Standort einberufen und ein Elternbrief versendet, auch werde eine neue Regionalleitung zuständig sein. Weitere Maßnahmen wie die Begleitung am Standort durch das Kinderschutzzentrum Wien und das Kinderschutzzentrum „die möwe“ wurden umgesetzt. Auch werde ein neues Kinderschutzkonzept in Zusammenarbeit mit Expert*innen erstellt, um ähnliche Situationen nach Möglichkeit in Zukunft erst gar nicht entstehen zu lassen.

Der Bürgermeister betonte, dass „jeder Verdachtsfall furchtbar ist und alles darangesetzt werden muss, damit Kinder in der Obhut der Stadt Wien bestmöglich geschützt sind“. Bezugnehmend auf die über 8.800 Mitarbeiter*innen in über 350 städtischen Kindergärten hielt er fest, dass „nahezu alle Pädagog*innen Tag für Tag ausgezeichnete Arbeit leisten. Insbesondere durch die Herausforderungen der Pandemie wird diese wichtige Arbeit unter nicht immer ganz einfachen Rahmenbedingungen geleistet. Dafür gebührt den städtischen Pädagog*innen unser aufrechter Dank. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich als Bürgermeister alles daran setze werde, das Vertrauen der Wiener Eltern rasch wiederherzustellen“.

Zu den Fragen betreffend der Vorgehensweise und der gesetzten Maßnahmen der zuständigen Dienststellen betonte der Bürgermeister, dass die Magistratsabteilung 11 als Aufsichtsbehörde über Kindergärten in Wien unmittelbar nach Bekanntwerden des ersten Verdachts eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet habe. Gegenüber dem Mitarbeiter wurde ein Auflösungsvorbehalt bis zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes ausgesprochen. Der Bedienstete sei vom Kindergarten abgezogen und in den administrativen Dienst versetzt worden.

Ludwig hielt fest, dass im Leitfaden für „Krisen und Katastrophen“ die Richtlinien und Meldeprozeduren festgehalten seien. Als Erstmaßnahmen sind besondere Vorkommnisse unmittelbar mittels Standardformular von der Standortleitung zu melden, wobei das Krisenmanagement vor Ort erste Priorität habe. Bei Gewalt und/oder Missbrauchsvorwürfen sei ebenfalls die MA 11 – Gruppe Recht über den genauen Sachverhalt zu informieren. Jegliche Vorfälle werden genauestens protokolliert. Alle weiteren Maßnahmen werden seitens der MA 10 und der MA 11 – Gruppe Recht in Abwägung der Situation getroffen.

Bezugnehmend auf weitere Fragen zu Sofortmaßnahmen zum Schutze der Betroffenen hielt Ludwig fest, dass bereits nach Meldung des ersten Vorwurfs am 24. März 2021 die Regionalleiterin und der Fachbereich elementare Bildung informiert wurden. Es wurden umgehend Gespräche mit den Pädagog*innen am Standort geführt und Informationen an die Dienstaufsicht weitergegeben. Auch fanden Gespräche durch die Aufsichtsbehörde sowie durch die Standortleitung mit der betroffenen Familie statt.

Die MA 10 nütze alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um das Team, die Eltern und die Kinder „in dieser wirklich belastenden Situation“ zu unterstützen. Dazu zählen ein speziell ausgebildetes Kriseninterventionsteam am Kindergartenstandort, fachlich extern begleitete Teamsitzungen und bedarfsorientierte Angebote für die Mitarbeiter*innen, erklärte Ludwig. Außerdem seien Fachkräfte in privaten und städtischen Kindergärten dazu verpflichtet, einmal jährlich Fort- und Weiterbildungen im Ausmaß von mindestens 16 Unterrichtseinheiten zu absolvieren. Zum Thema „Prävention von sexueller Gewalt an Kindern“ gebe es sowohl für Kindergärten als auch Erziehungsberechtigte ein breites Fort- und Ausbildungsangebot und Präventionsangebote, so der Stadtchef.

GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE) kritisierte, dass sich bis jetzt niemand bei den Eltern entschuldigt oder Verantwortung übernommen habe. Engagierte Pädagog*innen seien „hilflos“, wenn sie vor so einer Situation stehen. Außerdem wisse man nicht wie Präventionsangebote angenommen werde oder ob es einen strukturierten Prozess dafür gebe. Das geplante Kinderschutzkonzept sei zwar vorbildlich, wäre aber für alle Wiener Institutionen notwendig, ob beim Musikverein oder im Sportzentrum. Daher würden die Grünen auch einen Antrag zum Thema „Kinderschutz-Policy“ einbringen. Die Stadt hätte durch die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle am Wilhelminenberg gelernt, wie die Aufklärung solcher Fälle ablaufen könne, sagte Berner. Es sei erforderlich, Eltern sofort zu informieren, auch um Unsicherheit abzufedern. Auch Kinder sollten unverzüglich in einer Form befragt werden, die für sie möglich ist. Die Grüne Fraktion fordert daher eine Kinderschutz-Policy, die auch Supervision und Gruppenarbeit gemeinsam mit den Eltern beinhalte. „Wenn wir es schaffen eine solche Prävention in städtischer Verantwortung zu installieren, dann können wir auch wieder Vertrauen schaffen für dieses Institutionen“. In diesem Zusammenhang verwies sie auch auf die Ausbildung der Pädaog*innen: Auch hier müsse mehr auf Kinderschutz fokussiert werden. Zu diesem Thema bringe die Grüne Fraktion einen weiteren Antrag ein, um mehr Standards in der Ausbildung zu verankern. (Forts.) kro 

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