Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.05.2022:
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23. Wiener Gemeinderat (9)

Dringliche Anfrage

GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) sagte, es sei gut, dass die Grünen heute eine klare Positionierung im Missbrauchsfall zeigten und die „Dringliche“ einberufen hätten. Missbrauchsfälle würden fassungslos machen – vor allem, was den Umgang der Verantwortlichen der Stadt mit Missbrauchsfällen betreffe. Betroffene Eltern seien 13 Monate lang in Unkenntnis und in Unklarheit gehalten worden, damit habe der zuständige Stadtrat Christoph Wiederkehr „politisch fahrlässig“ gehandelt. „Gehen Sie mit Ihrer Verantwortung ehrlicher um, und schieben Sie die Verantwortung nicht nach unten ab“, forderte Krauss Vizebürgermeister Wiederkehr auf. Politisch sei bisher „wenig“ passiert, außer der Einsetzung einer Kommission. „Man kann aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, es muss politische und personelle Konsequenzen geben: Sprechen Sie eine Suspendierung gegenüber der Leiterin der MA 10 aus“, verlangte Krauss von Wiederkehr. Der Beruf der Pädagogen im Kindergarten müsse attraktiver gestaltet und besser entlohnt werden. An der Spitze des Ressorts von Stadtrat Wiederkehr brauche es „einen echten Macher und nicht jemanden, der dem Druck des Koalitionspartners ständig nachgibt. Herr Wiederkehr, treten Sie ab, Sie haben wirklich politisch versagt“, forderte Krauss.

GRin Mag.a Bettina Emmerling, MSc (NEOS) sagte, es mache sie „fassungslos, traurig und wütend“, wenn man von so einem Missbrauchsfall erfahre. „Auch für alle Pädagogen, die sich um unsere Kinder bemühen, ist natürlich es ein Schlag ins Gesicht von einem Kollegen derart hintergangen zu werden“, so Emmerling. Das Kindeswohl habe Priorität in der Stadt Wien, trotzdem gebe es an einigen Stellen Verbesserungsbedarf – „wir müssen an einigen Schrauben drehen“. Zwar seien Fehlentscheidungen getroffen worden, aber wichtige Entscheidungen zum Schutz der Kinder wie die Versetzung des Pädagogen und die Hinzuziehung der Staatsanwaltschaft seien unmittelbar erfolgt. Zwei Dinge müssten Prämisse sein: rasche Hilfe am Standort und schonungslose Aufklärung, sagte Emmerling. Nach dem Elternabend am vergangenen Donnerstag seien Sofortmaßnahmen wie die Einsetzung einer neuen Standortleitung getroffen worden, die sich nun in erster Linie um die Wiederherstellung des Vertrauens der betroffenen Eltern bemühen müsse. Die eingesetzte Kommission werde bis Anfang des Sommers einen Bericht vorlegen, in dem alle Vorwürfe und alle internen Prozesse beinhalten sein sollen. „Die genaue Ausgestaltung der Maßnahmen wird dann in die Hände von Experten gelegt, aufbauend auf den Bericht der Kommission“, so Emmerling.

GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) sagte, Missbrauchsfälle würden in vielen Fällen ganze Lebensläufe von Menschen beeinflussen. „Schade“ sei die Art, wie Michael Ludwig die Anfrage der Grünen beantwortet habe – „nämlich im Stil eines Magistratsdirektors und nicht im Stil eines Bürgermeisters. Weder vom Bürgermeister noch von der Kollegin von NEOS habe ich Entschuldigung gehört“, sagte Wölbitsch-Milan. Es gehe jetzt nicht „um irgendwelche Prozesse im Magistrat“, sondern um die Kinder und die Eltern, denen von der Leiterin der MA 10 nicht geglaubt worden sei. Er sei „kein Fan von Rücktrittsforderungen, aber die Chefin der MA 10 hat bereits eine Geschichte“. Der Fördermissbrauch im Kindergartenbereich habe „ein Versagen im Krisenmanagement derjenigen Person, die auch diesen Skandal zu verantworten hat, gezeigt und deshalb bis zur Klärung dieser Dinge suspendiert werden sollte“. Zur politischen Verantwortung sagte Wölbitsch-Milan: Zwei Magistratsabteilungen seien über den Fall informiert und involviert gewesen, deshalb sei es für ihn klar, dass die Wiener SPÖ darüber Bescheid gewusst habe – „Stadtrat Wiederkehr vielleicht nicht“. Auch wenn es so gewesen sei, „wie kann es sein, dass Mitarbeiter im Magistrat Sie nicht informieren haben. Seit eineinhalb Jahren sind Sie nicht Herr im eigenen Haus und verantwortlich dafür, was Sie sehen aber auch was Sie nicht sehen“, so Wölbitsch-Milan in Richtung Vizebürgermeister Wiederkehr. Die NEOS würden auf vielen Ebenen in der Politik anderen Parteien sagen, wie es diese besser machen könnten, doch anscheinend seien NEOS selbst nicht regierungsfähig – weder in Wien, noch in Salzburg, „wo NEOS zerbröselt“. Es gebe für Vizebürgermeister Wiederkehr nur zwei Möglichkeiten: Entweder solle er akzeptieren, dass die SPÖ in der Stadtregierung alles alleine bestimme, oder er solle die Koalition beenden. „Sie haben unser Mitleid nicht verdient, denn es ist Ihr Haus, in dem Sie versuchen müssen, die Dinge in den Griff zu bekommen. Das Magistrat und in der Folge die Bevölkerung vertrauen Ihnen nicht, wie sollen wir in diesem Haus vertrauen? Zeigen Sie uns in den nächsten Wochen, dass es besser geht“, verlangte Wölbitsch-Milan.

GR Mag. Marcus Gremel, MBA (SPÖ) betonte, dass der Schutz der Kinder in einer städtischen Einrichtung oberste Priorität haben müsse – doch dieser Schutz sei durch einen Täter im Kindergarten verletzt worden. „Die Vorstellung, dass so etwas in einem Kindergarten passieren kann, macht mich fassunglos“, zeigte sich Gremel, selbst Vater einer Tochter im Kindergartenalter, betroffen. Die Aufgabe der gewählten Mandatare sei es nun, das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu gewinnen. „Dafür müssen alle Vorgänge und Abläufe schonungslos durchleuchtet werden, zwar auf Basis von Expertise und Evidenz, nur so kann der Fall aufgeklärt und ein noch besserer Kinderschutz für die Zukunft errichtet werden“, so Gremel. „Billige Polemik“ würde aber nichts zur Aufklärung beitragen. Evident sei, dass mit Bekanntwerden des Falles, der betroffene Pädagoge aus dem Kinderdienst entfernt und eine Meldung an die Staatsanwaltschaft erfolgt sei. Mit der Hinzuziehung der Kommission werde nun „Klarheit hergestellt sowie Lehren für die Zukunft erarbeitet, verbunden mit der Hoffnung, dass in Zukunft so etwas nie wieder passiert“, schloss Gremel.

GR Stefan Berger (FPÖ) sagte, es gebe keine pauschale Beschuldigung der FPÖ gegenüber dem Magistrat, sondern gegen ganz konkrete Stellen. Deshalb würden die Freiheitlichen heute noch einen Antrag zur Suspendierung der Leiterin der MA 10 einbringen. „Es gibt Dinge im Leben, nach denen kann man die Uhr stellen: In Wien sind das die immer wieder kehrenden Kindergartenskandale“, so Berger. Ab 2009 seien mit der Einführung des Gratiskindergartens immer mehr Vereine – teilweise mit religiösem Hintergrund – mit der Leitung von Kindergärten betreut worden, überhaupt sei das Ressort von Stadtrat Wiederkehr „die größte Baustelle hier beim Rathaus – und nicht die U-Bahn-Baustelle“. Mit der politischen Verantwortung seien die NEOS nun selbst zum Teil der Probleme im Bildungssektor geworden. In Wien seien zwar 600 Park-Sheriffs auf den Straßen, aber nur 15 Kontrolleure im Bereich der Elementarpädagogik bei 90.000 Kindergartenkinder unterwegs, „damit ist ein engmaschiges Netz der Kontrolle wohl nicht möglich“. Berger brachte einen zweiten Antrag ein, der in Kindergärten und Kindergruppen das Tragen von Kopftuch als religiöses Symbol für Kinder und das Personal verbieten soll.

GR Felix Stadler, BSc, MA (GRÜNE) bezeichnete den vorliegenden Fall als eines der schwierigsten Themen, über welches im Gemeinderat in den letzten Monaten debattiert worden sei. Das Vertrauen und die Verantwortung, die die Pädagoginnen sowie die Stadt gegenüber den Eltern hätten, sei ein hohes Gut, „das hier mit Füßen getreten wurde“. Dass der betroffene Pädagoge erst nach 25 Tagen in den Innendienst versetzt worden sei, bezeichnete Stadler – sollte das so stimmen – als „absolutes Versäumnis aller Beteiligen in diesem Fall“. Außerdem fehle es weiterhin an einer Entschuldigung der Stadt gegenüber den betroffenen Eltern. Einige betroffene Eltern hätten erst bei einem Elternabend in der Vorwoche erfahren, dass ihre Kinder mit dem betroffenen Pädagogen allein gewesen seien und „anschließend über Schmerzen im Genitalbereich geklagt haben und zum Arzt gebracht werden mussten“, so Stadler. „Die absurde Nicht-Kommunikation der Stadt Wien in diesem Fall gipfelt darin, dass der zuständige Stadtrat erst nach 13 Monaten vom größten Skandal in seinem Bereich erfährt. Herr Stadtrat, Sie müssen sich die Frage stellen, ob Sie mit der betroffenen Magistratsleiterin noch weiter zusammenarbeiten können oder wollen“, sagte Stadler in Richtung Christoph Wiederkehr.  (Forts.) nic

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