Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.10.2022:
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29. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage

Um 16 Uhr wurde die Tagesordnung im Stadtparlament für die Behandlung der „Dringlichen Anfrage“ der Grünen unterbrochen. Die Grünen hatten eine „Dringliche“ an an Finanzstadtrat Peter Hanke betreffend „Post Corona, Energiekrise, Teuerung – Gerade jetzt dringende finanzielle Unterstützung für alle Wiener Einkaufsstraßen durch die Stadt Wien“ gestellt.

GR Johann Arsenovic (GRÜNE) begründete die Dringliche Anfrage mit den Krisen der letzten Jahre, die der Wirtschaft zugesetzt hätten. Er bezog sich auf sprichwörtliche Engpässe, wie sie zum Beispiel durch das auf Grund gelaufene Frachtschiff "Ever Given" im Suez-Kanal 2021 zustande kamen. „Damals stand die Weltwirtschaft vor dem Kollaps“, so Arsenovic. Produktionen standen still, Lieferketten wurden unterbrochen. Damals gab es eine breite Zustimmung dazu, eine kleinteilige, lokale Wirtschaft und Produktion zu fördern. Denn das Wirtschaften der kurzen Wege mache eine Stadt lebenswert und widerstandsfähiger. Wien sei besonders, weil es hier die Zusammenarbeit von vielen lokalen Unternehmer*innen im Grätzl gebe. So organisieren sich seit den 50iger Jahren Geschäftsleute in allen Bezirken. „Diese Einkaufsstraßenvereine leisten einen wichtigen Beitrag zur Nahversorgung und spielen eine wichtige Rolle für ein lebendiges Zusammenleben im Grätzl“. Diese Alltagsökonomie, die sehr krisenfest sei, habe sich in den Krisenseiten bewährt. Arsenovic kritisierte die neue Förderung, die sechs Grätzl besonders fördere, darunter die Praterstraße, die Äußere Favoritenstraße, die Hernalser Hauptstraße, Döblinger Hauptstraße oder das Zentrum Floridsdorf. Die Grünen würden sich grundsätzlich für eine Evaluierung dieser Förderung aussprechen, aber das dürfe nicht bedeuten, dass es zu einer Streichung der Mittel für die anderen Einkaufsstraßen komme und diese Vereine keine Förderung mehr erhalten würden. „Das kann nicht im Interesse der Stadt sein. Das würde den Tod vieler Einkaufsstraßenvereine bedeuten. Damit ist die Existenz vieler Händler*innen bedroht“, hielt Arsenovic fest und forderte den zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) dazu auf, die komplette Streichung der Förderung zurückzunehmen. „Diese Streichung würde einen großen Schaden anrichten“.

Amtsf. StR KommR Peter Hanke (SPÖ) betonte, dass die Grätzl leben sollten und die neue Förderung diese Belebung ermögliche. Die Förderung nehme den Schritt weg von der Gießkanne hin zu einer neuen Förderschiene. Bisher wurden bereits 36 Mio. Euro investiert und jetzt gehe es darum, eine Evaluierung umzusetzen und neue Wege zu gehen. So werden von der Stadt und Wirtschaftskammer 2023 3,5 Mio. Euro – „so viel Geld wie noch nie“ – für Grätzl und Unternehmen in die Hand genommen. „Weil es uns wichtig ist, dass die Geschäftsviertel in Wien leben und vielfältig sind“, so Hanke. Auch müsse man hierbei die Digitalisierung und Klimaziele mitdenken. Darum würden 1,4 Mio. Euro mehr zur Verfügung stehen, um 67 Prozent mehr als bisher.  In Abstimmung mit der Wirtschaftskammer Wien werde eine neue Kampagne geplant – hin zum Grätzl zur Gesamtheitlichen Sichtweise, weg von den einzelnen Einkaufstraßen, erklärte Hanke. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer werde hier ein neuer Weg genommen - mit Angeboten wie der Ein-Personen-Unternehmen-Förderungen, sowie Angebote für Gründer*innen die den ersten Schritt in die Selbstständigkeit nehmen. Hanke hielt auch fest, dass nun 500.000 Euro für die ersten sechs Gebiete investiert werden, das aber nicht bedeute, dass die anderen Gebiete „in Stich gelassen werden“.  In den nächsten Jahren werde sich die Stadt alle Bezirke ansehen und klare Impulse setzen, sagte hanke. Für die Grätzl-Belebung brauche es koordinierte Maßnahmen. So werde ein Mehrwert und ein Aufschwung für die Viertel verwirklicht. Insgesamt seien 3.500 Unternehmen mit dabei,  das sei treffsicherer, als „selektiv eine Geschäftsstraße auszuwählen“, betonte Hanke. Hanke erinnerte auch daran, dass viele Förderungen von den Vereinen in der Vergangenheit nicht abgeholt wurden. Zum Beispiel gab es 2021 für den 1.Bezirk eine Fördersumme von 121.000 Euro, davon wurden lediglich 51.000 Euros an Vereine weitergeben. Es zeige, dass es kein nachhaltiges Interesse der Einkaufsstraßen-Vereine gebe und es deshalb neue Wege brauche

Bezugnehmend auf die einzelnen Fragestellungen der Dringlichen Anfrage betonte Hanke, dass die Nahversorung attraktiv bleibe, da es nun mit 3,5 Mio. Euro eine höhere Förderquote gebe und es einer Erhöhung von 67 Prozent entspreche. Wichtig bleibe die zudem die Kooperation und Vernetzung der Gewerbebetreibenden. Dafür seien auch nicht-monetäre Angebote der Wirtschaftsagentur und der Wirtschaftskammer notwendig. Es gehe hier auch um eine gute Betreuung in den Grätzln und Quartieren. Diese Tradition solle fortgesetzt werden, aber in einem größeren Rahmen.

Die sechs Quartiere seien auf Grundlage eines Fachkonzepts ausgewählt und nach stadtplanerischen und wirtschaftspolitischen Faktoren bestimmt. Hanke betonte, dass diese Quartiere nicht die letzten sein werden. Jetzt liege der Fokus jedoch auf den Außenbezirken, weil es dort „Problemlagen“ gebe, denen man gegensteuern möchte. Auch sei es legitim, Unterstützungsinstrumente wie diese Förderung „nach so viele Jahren zu hinterfragen und zu überlegen, wie städtische Ziele wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und klimaneutrale Mobilität berücksichtigt werden können“. Insofern hielt Hanke fest, dass die Nahversorgung überall wichtig sei, nicht nur in definierten Straßen oder Quartieren. Jedoch würden es die Mittel nicht zulassen und würden eine Konzentration auf einen gewissen Bereich notwendig machen. Es gehe jedoch nicht nur um einzelne Straßen, sondern um funktionelle Räume. Der Stadtrat betonte abschließend, dass die Kaufkraft in Wien bleiben müsse, daher sei diese Initiative auch eine besonders wichtige.

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE) kritisierte die geplante Förderung und hinterfragte die Treffsicherheit. Denn es würden lediglich 3,5 Mio. Euro beschlossen, „der Rest ist weg“. Die Situation für Unternehmer sei nach wie vor schwierig. So sei es auch die Aufgabe der Stadt, notwendige Investitionen nicht nur in einigen Regionen zu setzen, sondern gemeinsam zu evaluieren und „nicht einfach einem Teil die gesamte bisherige Unterstützung wegzunehmen“. Das würde jetzt passieren. Margulies bekannte sich dazu, dass es nicht falsch sei, einzelne Viertel stärker zu fördern. Falsch sei jedoch, allen anderen Vereinen das Geld zu streichen, das „ist in Zeiten wie diesen grundfalsch“. Der Gemeinderat relativierte den Vergleich seines Vorredners Hanke mit den Auszahlungen im Jahr 2021, da besonders in diesem Jahr nicht die vollen Corona-Gelder abgerufen wurden. Auch sei der Überbegriff „meinkaufstadt Wien“ schlecht gewählt. Das Grätzl werde hiermit bloß auf das Einkaufen reduziert. Ein Grätzl lebe aber erst durch die belebten Plätze und kleineren und mittleren Unternehmen. Ein Straßenraum müsse zum Verweilen einladen und das Bedürfe viel mehr als den Slogan „meinkaufstadt Wien“. In diesem Zusammenhang verwies Margulies auf den Praterstern. Hier ginge es noch viel mehr darum, erst einen Ort zum Verweilen zu verwirklichen. Es gebe in Wien wahrscheinlich viele andere Grätzl und Plätze, die für die Förderung sinnvoller wären. Als positives Beispiel führte der Gemeinderat die Simmeringer Hauptstraße an, hier gebe es jetzt nach Leerstand wieder viele kleine Geschäfte und dieses Grätzl brauche Belebung. Bei anderen Quartieren fehle Margulies die Perspektive. Hier verwies er beispielsweise auf die Äußere Favoritenstraße. Die Belebung eines Grätzl bedeutet viel mehr als sich nur um die Nahversorgung zu kümmern.

GRin Veronika Matiasek (FPÖ) zeigte sich über die „Dringliche Anfrage" der Grünen verwundert. So hätten die Grünen viel zum Abbau der Einkaufsstraßen während ihrer Regierungsbeteiligung in Wien beigetragen. Besonders in den Außenbezirken habe sich die Situation nicht verbessert. Die Grünen seien mit daran schuld, dass viele Unternehmen mit Einbußen kämpfen mussten, besonders während der Corona-Zeit. Denn von den Corona-Beschränkungen waren besonders die kleinen Unternehmen betroffen, so Matiasek. Hier hätten die Grünen eine Mitverantwortung zu tragen. Wenn man Unternehmer*innen stützen will, sei nicht nur das Grätzl-Leben wichtig, sondern „Unternehmen brauchen Kund*innen“. Ein Unternehmen ohne Kund*innen und Umsatz werde „untergehen“. Matiasek verwies darauf, dass es bereits vor 2020 keine positive Entwicklung gab, da viele Geschäfte schließen mussten. So zum Beispiel auch in Hernals, wo die Schließung des Marktes und die Beschränkung von Zufahrtsmöglichkeiten auch den Unternehmen zugesetzt hätte. Hierzu betonte die Gemeinderätin, dass in den Randgebieten auch Kund*innen aus dem Umland wichtig seien und es die Möglichkeit brauche, Einkäufe mit dem Auto zu erledigen. Diese Kund*innen würden „in Einkaufszentren getrieben“. Auch kritisierte Matiasek den nicht vorhandenen Branchenmix, der rapide zurückgegangen sei. Hier führte sie zum Beispiel die Ottakringer Straße an, hier sinke die Kaufkraft. Gute mittelständische Einkaufsstraßen würden sich dort halten, wo die Kaufkraft der Menschen vor Ort höher sei. Zudem würden konsumfreie Räume und Grätzlbetreuung die Unternehmen nicht retten. Wirtschaft und Betreuung des öffentlichen Raumes seien zwei Paar Schuhe. Matiasek sei über jedes Geschäft froh, dass im Umfeld bleibe. Es sei zu hinterfragen, ob alles ausgelagert werden müsse und in Zentren ins Grüne gestellt werden müsse. Öffentliche Einrichtungen sollen im Zentrum bleiben, da das auch die Kaufkraft belebe. Auch Leerstände durch Kulturinitiativen zu bespielen, bringe nicht immer Vorteile und werde auch vom Umfeld skeptisch gesehen. Nicht alle Kulturinitiativen würden einen kulturellen Auftrag erfüllen. Es brauche eine gezielte Förderung für die Unternehmer*innen vor Ort, die sich an ihren Forderungen orientieren. (Forts.) kro

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