Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 21.12.2022:
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32. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage an Bürgermeister Ludwig

Um 16 Uhr wurde die laufende Sitzung für die Behandlung einer dringlichen Anfrage an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unterbrochen. Die Anfrage hatten die Grünen gestellt, sie lautete „Sozialleistungen gegen Teuerung absichern: Der Bund geht voran. Wo bleibt die automatische Wertsicherung der Wiener Sozialleistungen?“

GR Georg Prack, BA (GRÜNE) lieferte die Begründung für die „Dringliche“: Er argumentierte, das zwei wichtige soziale Unterstützungsleistungen der Stadt „immer weniger Wiener*innen immer weniger helfen“ würden, und zwar die Wohnbeihilfe und das geförderte Essen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Er forderte die Stadtregierung und Bürgermeister Ludwig auf, „notwendige Reparaturen“ in die die Wege zu leiten. Die aktuelle hohe Teuerung wirke wie ein „Brandbeschleuniger“ im Sozialbereich: Ohne Maßnahmen könnte 2023 zum Jahr werden, in dem „so viele Menschen wie noch nie ihren Anspruch auf Wohnbeihilfe verloren haben“ und die Wirkung der Förderung von Essen für Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen „völlig verpufft“. Er wünschte sich – gerade vor Weihnachten – eine Einigung darauf, den Wertverlust der Wohnbeihilfe und der Essensförderung nicht zuzulassen. Er forderte Einkommensgrenzen und Einkommensstufen künftig mit der Inflation anzuheben. Die Einkommensstufen bei der Wohnbeihilfe seien seit dem Jahr 2000 nicht valorisiert worden, so Prack. Ein Ein-Personen-Haushalt mit einem Einkommen von 734 Euro habe im Jahr 2000 die volle Wohnbeihilfe beziehen können. Hätte man diesen Wert immer dem Verbraucherpreisindex angepasst, läge diese Grenze im November 2022 bei 1.234 Euro, rechnete Prack vor. Ein Ein-Personen-Haushalt, der vor 22 Jahren die volle Wohnbeihilfe hatte, bekomme laut Prack ab Neujahr keine Wohnbeihilfe mehr, obwohl das Realeinkommen der Person gleich hoch sei. Der Abgeordnete sah eine „kalte Progression aus der Wohnbeihilfe“. Die Zahl der Bezieher*innen sei von 2008 bis 2021 – bei wachsender Bevölkerung – um mehr als ein Drittel gesunken. Laut Prack liege das nicht am sinkenden Bedarf, sondern an den nicht angepassten Einkommensgrenzen. „Kalte Progression aus der Wohnbeihilfe ist eine Armutsfalle, das können wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen“, sagte Prack. Auch beim geförderten Essen in Kinderbetreuungseinrichtungen habe es seit der Einführung im Jahr 2009 keine Valorisierung gegeben. Die Einkommensgrenze schließe mittlerweile auch Einkommen in der Höhe der Mindestsicherung aus. Die Stadt spare hier Geld auf Kosten von armutsgefährdeten Kindern, so Prack. „Man hätte schon früher reagieren können“, gab sich Prack auch aus Perspektive seiner Fraktion selbstkritisch. Es gebe laut Prack jedoch auch gute Nachrichten und zwar von der Bundesregierung. Ab Neujahr würden dort die Sozial- und Familienleistungen entlang des Verbraucherpreisindex erhöht und gegen Inflation absichert. Die Stadt solle dem Beispiel des Bundes folgen: „Machen wir die Wiener Sozialleistungen so wirksam, wie sie schon einmal waren!“.

In seiner Beantwortung erklärte Bürgermeister Dr. Michael Ludwig (SPÖ), dass die Stadt mit der „Energieunterstützung Plus“, dem „Wiener Energiebonus 22“, der „Energiekostenpauschale“ und der Förderung nachhaltiger Energieformen „rasch“ und „sozial treffsicher“ auf die Energiepreissteigerung reagiert habe. Es sei außerdem eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich mit den Auswirkungen der Teuerung im Bereich der Kinderbetreuung beschäftige.

Im September 2022 hätten insgesamt 33.131 Haushalte eine Wohnbeihilfe bezogen. Für die Monate Oktober und November gebe es noch keine Zahlen, da Antragsteller*innen noch Unterlagen nachreichen könnten. Die Zahl der Haushalte, die eine „Allgemeine Wohnhilfe“ beziehen sei nicht gesunken, sondern seit 2012 von etwa 27.000 auf rund 33.000 im Jahr 2021 gestiegen. Ludwig erläuterte, dass die Zahl der Bezieher*innen eng mit der Situation am Arbeitsmarkt zusammenhänge. In den Jahren 2008 und 2009 habe es wegen der Auswirkung der Finanzkrise die meisten Bezieher*innen gegeben. Mit der Zahl der Bezieher*innen sei seit 2012 auch die Zahl der Ausgaben gestiegen, und zwar von rund 33,3 Million Euro auf 45,4 Millionen Euro im Jahr 2021.

Wien habe weitere Unterstützungsleistungen bereitgestellt. Haushalte, die 2022 Wohnbeihilfe beziehen, hätten von der Stadt Wien den Energiekostenzuschuss in Höhe von 200 Euro pro Erwachsenem erhalten. Alleinerziehende mit Wohnhilfe-Bezug hätten zusätzliche 100 Euro zum Energiekostenzuschuss erhalten. Außerdem sei bei einer Einkommensgrenze von 40.000 Euro brutto für Ein-Personen-Haushalte und 100.000 Euro brutto für Mehr-Personen-Haushalte davon auszugehen, dass Haushalte mit Wohnbeihilfe auch den „Wiener Energiebonus 22“ in Höhe von 200 Euro erhalten.

Gefördertes Essen in Wiener Kinderbetreuungseinrichtungen sei im Dezember 2022 insgesamt 1.260 Antragssteller*innen zuerkannt worden. 2021 seien es 2.909 Befreiungen gewesen, im Jahr 2012 10.975 Kinder. Dafür habe die Stadt 2012 rund 4,8 Millionen Euro ausgegeben, im Jahr 2021 etwa 1,2 Millionen Euro. Es seien durch die unveränderte Einkommensgrenze weniger Anträge bewilligt worden, entsprechend sei auch die ausbezahlte Summe gesunken. Die Einkommensgrenze sei im Einführungsjahr 2009 festgelegt worden, bezüglich eine möglichen Erhöhung wollte Ludwig nicht dem Ergebnis der erwähnten Arbeitsgruppe vorgreifen.

Im Jahr 2019 seien 546 Kindergartenkinder auf die Betreuungsform „halbtags ohne Essen“ umgestellt worden, im Jahr 2021 seien dies 129 Kindergartenkinder gewesen. Durch diese Maßnahme habe ein Großteil der Eltern den bestehenden Rückstand binnen kürzester Zeit beglichen – wodurch es möglich war, diese Kinder wieder auf die eine Ganztags-Betreuung umzustellen. Aufgrund der Covid-Krise habe die Stadt im Jahr 2020 von derartigen Maßnahmen abgesehen. Im Hortbereich sei 2019 die Betreuungsvereinbarung von 286 Hortkindern und im Jahr 2021 von 48 Hortkindern aufgrund von Zahlungsrückständen aufgelöst worden. Auch hier sei 2020 wegen Covid von derartigen Maßnahmen Abstand genommen worden.

Bei der unterschiedlichen Stellung von Ganztagsschulen und Offenen Schulen wies Ludwig darauf hin, dass bei öffentlichen offenen Schulformen die Betreuung an keinem, an mindestens drei oder bis zu fünf Schultagen pro Woche in Anspruch genommen werden könne, währen die verpflichtende Schulzeit in Ganztagsschulen täglich bis 15.30 Uhr dauere. Die Obsorgeberechtigten könnten in Offenen Schulen über den Umfang der Inanspruchnahme des Betreuungsangebotes und über die damit verbundene Kostentragung selbst entscheiden. Der Besuch des verpflichtenden Teils sei aber jedenfalls kostenfrei. Im laufenden Schuljahr besuchen laut Ludwig rund 25.000 Kinder in Wien kostenfrei eine Ganztagsschule.

StRin Mag. Judith Pühringer (GRÜNE) sagte, es sei „gut“, dass es die Energieunterstützung gebe. Diese sei jedoch ein Ersatz von Energiekosten und ersetze nicht „das Loch beim leistbaren Wohnen“. Sie sei wie Ludwig der Meinung, das „soziale Treffsicherheit“ wichtig sei, die vorgeschlagene Valorisierung der Einkommensgrenzen würde eine solche gewährleisten. Der Bund passe die wichtigsten Sozial- und Familienleistungen nachhaltig an die Inflation an und schaffe mit 1.1.2023 auch die „kalte Progression“ ab. Dies entlaste Menschen mit niedrigen Einkommen „ganz gezielt“. In Wien sei die Situation anders. Hier würden vor allem die Gebühren valorisiert – in krisenfreien Zeiten für eine gute Daseinsvorsorge wichtig; die Valorisierung in der aktuellen Krise nicht auszusetzen, bezeichnete Pühringer jedoch als „fragwürdig“. Die Einkommensgrenzen für Wohnbeihilfe seien seit 2000 nicht mehr erhöht worden. Viele Gruppen, die 2000 noch Anspruch gehabt hatten, würden jetzt aus der Wohnbeihilfe fallen. Das gleiche gelte für die Einkommensgrenzen für gefördertes Essen in Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allem für Alleinerziehende sei das „dramatisch“. Pühringer forderte eine „schnelle Korrektur“ und eine Valorisierung von Wohnbeihilfe und Essensgeld. Es brauche eine tatsächliche Valorisierung und echte Wertsicherung, „keine Einmal-Maßnahme“. Langfristig forderte Pühringer eine Reform der Wohnbeihilfe. Beim geförderten Mittagessen wünschte sie sich die sofortige Anhebung der Einkommensgrenzen, eine jährliche Valorisierung und den Erlass von Schulden der betroffenen Eltern. Mittelfristig solle jedes Wiener Kindergartenkind ein warmes Mittagessen bekommen, so Pühringer.

GR Wolfgang Seidl (FPÖ) wunderte sich über den Zeitpunkt der Anfrage. Die „Dringlichkeit“ bestehe schon länger, auch schon zu Zeiten der Regierungsbeteiligung der Grünen. „Ihr hättet zehn Jahre Zeit gehabt, das zu ändern“, kritisierte Seidl. Er sei für die Valorisierung, vermisste im Antrag aber den „Heizkostenzuschuss“, den die Grünen gemeinsam mit der SPÖ abgeschafft hätten. (Forts.) gaa

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