Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.03.2023:
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Mindestsicherung: VfGH gibt Stadt Wien in zentralen Punkten Recht

Sozialstadtrat Hacker: „Nehme das heutige VfGH-Erkenntnis mit Freude zur Kenntnis.“

Die Stadt Wien nimmt das heutige Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes mit Freude zur Kenntnis. In einer ersten Reaktion sagt Sozialstadtrat Peter Hacker dazu: „Dass der Verfassungsgerichtshof den Zwang zur Sachleistung des Bundesgesetzgebers aufgehoben und das Wiener Mindestsicherzungsgesetz in diesem wesentlichen Punkt bestätigt hat, bestärkt uns in unserer bisherigen Vorgehensweise. Ich freue mich besonders für die rund 8.500 MindestpensionistInnen, die wir auch weiterhin gegenüber ihren VermieterInnen nicht als MindestpensionistInnen deklarieren müssen. Ich erwarte, dass der Bundeskanzler die Kundmachung der aufgehobenen Zwangsregelungen unverzüglich durchführt.“ 

„Unabhängig davon ist es höchst an der Zeit, dass die schwarz-grüne Bundesregierung endlich ihre Pläne vorlegt, wie sie ihr Versprechen, die Armut in Österreich zu halbieren, umzusetzen gedenkt. Mit den jüngst vom Bundeskanzler geäußerten Unterstellungen und Falschbehauptungen wird das jedenfalls nicht gelingen. Die derzeitigen Teuerungen bei einer Inflation von über 10 Prozent betreffen die armutsgefährdeten Haushalte in unserem Land überproportional. Moderne Armutsbekämpfungspolitik muss darauf ein hohes Augenmerk legen.“, so Hacker weiter. 

VfGH bestätigt Kritik der Stadt Wien am Sachleistungszwang des Bundes

Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes hat den Ländern im Bereich Wohnen einen Spielraum gegeben, um auf die mancherorts höheren Wohnkosten zu reagieren und dabei die Höchstsätze überschritten werden dürfen. Dies allerdings nur, wenn die entsprechenden Leistungen als Sachleistung gewährt werden. Das hätte in der Praxis bedeutet, dass die diesbezügliche finanzielle Unterstützung direkt an die VermieterInnen überwiesen werden müsste. Der VfGH argumentiert jedoch sehr schlüssig und nachvollziehbar, dass diesen Leistungen im Bereich Wohnen ein höherer Bedarf gegenübersteht, dessen Ausmaß von Umständen abhängt, die außerhalb des persönlichen Einflussbereichs der Betroffenen liegen. Daher ist für den VfGH nicht nachvollziehbar, wie aus der bloßen Höhe der Leistung der Schluss gezogen werden kann, dass der Bedarf nur durch Sachleistungen abgedeckt werden darf. Der kategorische Ausschluss von Geldleistungen entbehre jeglicher sachlicher Rechtfertigung.

Die Stadt Wien hat den Sachleistungszwang des schwarz-blauen Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes auch aus weiteren Gründen immer für falsch gehalten:

  1. Die Sozialhilfe übernimmt in vielen Fällen nur einen Teil der gesamten Miet- und Betriebskosten. Die VermieterInnen hätten demnach plötzlich jeden Monat zwei separate Zahlungseingänge in seiner Hausabrechnung zu administrieren.
  2. Die VermieterInnen würden plötzlich einen Einblick in die Einkommenssituation ihrer MieterInnen erhalten, der ihnen einerseits gar nicht zusteht und andererseits sowohl für die MieterInnen selbst, aber auch für zahlreiche VermieterInnen ein unangenehmer und ungewünschter „Erkenntnisgewinn“ wäre.
  3. Sozialhilfe muss immer ein Sprungbrett in die Selbstständigkeit der Betroffenen sein und darf daher nicht zu zusätzlicher Stigmatisierung führen. Weder für MindestsicherungsbezieherInnen, noch für Arbeitslose noch für MindestpensionistInnen.

Das Wiener Mindestsicherungsgesetz ermöglicht eine finanzielle Zuwendung im Bereich Wohnen direkt an die Betroffenen. Diese Praxis wurde als verfassungskonform bestätigt. Damit kann die Wiener Praxis im Bereich Mietbeihilfe für PensionistInnen fortgeführt werden. Derzeit beziehen rund 8.500 MindespensionistInnen durchschnittlich 167 Euro Mietbeihilfe pro Monat. Gleiches gilt auch für alle anderen Fälle in der Wiener Mindestsicherung, die einen erhöhten Wohnaufwand haben. Auch sie können die Mietbeihilfe weiter beziehen.

Wiener Möglichkeit zur Differenzierung in Bedarfsgemeinschaften verfassungskonform. Maßgeschneiderte Förderangebote in Wien können weiter bestehen.

Die differenzierte Betrachtung in so genannten Bedarfsgemeinschaften ist als Erfolg der österreichischen Mindestsicherungsreform im Jahr 2010 eingeführt und von der schwarz-blauen Bundesregierung wieder abgeschafft worden. Während das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes eine reine Haushalts-Betrachtung vorschreiben will, gibt es im Wiener Mindestsicherungs-Gesetz die Möglichkeit zur Differenzierung in Bedarfsgemeinschaften, die eine individuelle und maßgeschneiderte Förderung ermöglicht. Diese Vorgangsweise in Wien wurde im konkreten Fall nun vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform bestätigt. Damit ist auch sichergestellt, dass unsere Anstrengungen zur Integration etwa von Unter-25-Jährigen in den Arbeitsmarkt weiterhin optimal von den Spielregeln der Mindestsicherung unterstützt werden. 

„Dass der Verfassungsgerichtshof grundsätzlich nicht per se in die Höhe der Richtsätze des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes eingreift, ist verständlich, denn die Definition der Armutsgrenze ist eine politische und keine verfassungsrechtliche Frage. Daher war zu erwarten, dass der Berechnungssatz für Paare in der Mindestsicherung gekürzt wird. Das ist sozialpolitisch schmerzhaft, da daurch das Ziel der Armutsbekämpfung erschwert wird, war aber zu erwarten und müssen wir daher zur Kenntnis nehmen.“, so der Sozialstadtrat abschließend.

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