Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.04.2023:
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22. Wiener Landtag (6)

Dringlicher Antrag

LAbg. Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) kritisierte die Informationspolitik der Stadt rund um den Finanzbedarf der Wien Energie im vergangenen August: Viele in der Stadt seien von den Schlagzeilen „Ist Wien Energie Insolvent?“, die kurz vor dem Energiegipfel im Bundeskanzleramt auftauchten, überrascht worden – die Spitze der Stadt habe aber offenbar schon seit Juli Bescheid gewusst, wie sich durch die Untersuchungskommission gezeigt habe. Zwei Drittel der Beweisanträge, die in der Untersuchungskommission beschlossen wurden, seien nicht geliefert worden; die Daten der Diensthandys, deren Auslieferung auch die Richter in der Untersuchungskommission unterstützt hätten, seien nicht vorgelegt worden, so Juraczka. Trotz fehlender Unterlagen und mangelndem Einblick habe die Untersuchungskommission gezeigt, dass „einiges im Groben liegt“ und was verbessert gehört, sagte Juraczka. So brauche es laut Juraczka Verbesserungen unter anderem bei der Bestellung der Kontrollorgane und eine Änderung der Geschäftsmodelle der Wien Energie. Die „Trades“ der Wien Energie an der Leipziger Energiebörse seien immer noch nicht offengelegt, sagte Juraczka, trotzdem habe der Bund für die abgeschlossenen Geschäfte mit zwei Milliarden Euro Steuergeld gebürgt. Auch sei eine Reform der Verfahrensregeln in der Untersuchungskommission notwendig, sonst verkomme das Instrument zu einer Farce, so Juraczka.

LAbg. Mag. Andrea Mautz-Leopold (SPÖ) hinterfragte die Sinnhaftigkeit der im Dringlichen Antrag geforderten Änderungen der Bestimmungen zur Notkompetenz des Bürgermeisters. Die Notkompetenz sei in der Stadtverfassung geregelt und vor mehr als 100 Jahren im ersten Amtsblatt des Landes Wien im November 1920 kundgemacht worden. Die Stadtverfassung sei seitdem „ein Fels in der Brandung“, sagte Mautz-Leopold. Die Regelungen und die Notkompetenz hätten sich in der Vergangenheit in Krisenzeiten bewährt – jüngst in der Corona-Pandemie oder angesichts des Ukraine-Kriegs. Die Notkompetenz werde eng ausgelegt und sehr selten gezogen; auch würden die Akten für die Notkompetenz von mehreren Magistratsdienststellen vorbereitet, geprüft und abgesegnet, erläuterte Mautz-Leopold. Auch angesichts der drohenden Energiekrise rund um den sogenannten Black Friday an den Energiebörsen, ausgelöst durch den Angriff Russlands auf die Ukraine, habe sich gezeigt, dass die Ziehung der Notkompetenz notwendig und richtig war, sagte Mautz-Leopold. Anders als von der Opposition in ihrer „Dringlichen“ gefordert, sei es bereits jetzt so, dass das Ziehen der Notkompetenz immer begründet sein muss und eine Dringlichkeit vorliegen muss - die Notkompetenz diene schließlich dazu, Krisen hintanzuhalten, so Mautz-Leopold.

LAbg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) kritisierte ihre Vorrednerin: Es sei bezeichnend, dass die selbsterklärte „Forschrittskoalition“ auf eine vor 100 Jahren beschlossene Regelung stolz ist. NEOS und SPÖ würden an der historischen Regelung festhalten, statt sie an das 21 Jahrhundert anzupassen, meinte Hungerländer. Auch sie kritisierte die Informationsflüsse rund um die Ziehung der Notkompetenz durch den Bürgermeister – dieser habe offenbar weder den Koalitionspartner ausreichend informiert noch die Opposition oder die Öffentlichkeit informiert. Auch der Vizebürgermeister Wiederkehr habe keine Nachfragen gestellt oder sei von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen – aus Sicht von Hungerländer eine Verfehlung für eine selbsterklärte Transparenzpartei. In einer ersten Reaktion hätten die NEOS eine Reform der Notkompetenz angekündigt – die Pinken seien aber vor der SPÖ eingeknickt, so Hungerländer, das sei auch bei anderen Skandalen in der Stadt so gewesen.

LAbg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) meldete sich erneut zu Wort und meinte: Wäre die Wien Energie ein börsennotiertes Unternehmen, würde das mehr Transparenz bedeuten. Unternehmen an der Börse müssten regelmäßig ihre Aktionär*innen informieren und Geschäftsberichte veröffentlichen. Das passiere zum Beispiel bei der EVN und beim Verbund. Bei der Wien Energie müsse im Untersuchungsausschuss debattiert werden, welche Unterlagen vorgelegt werden sollen – auch die Vorlage von Dokumenten sei im Bund bei Untersuchungskommissionen strenger und damit transparenter geregelt.

LAbg. David Ellensohn (GRÜNE) meldete sich ebenfalls erneut. Eine Voraussetzung für die Ziehung der Notkompetenz, sei, dass „unverzüglich“ – also unmittelbar gehandelt werden oder beschlossen werden müsse. Das passe aber nicht mit der Argumentation der SPÖ in der Debatte zur Notkompetenz und zu den Erklärungen in der Untersuchungskommission zusammen, meinte Ellensohn: Einerseits würde die Bürgermeisterpartei-SPÖ argumentieren, sie hätte schon im März vor Verwerfungen an den Energiebörsen gewarnt und hätten wiederholt den Bund dafür kritisiert, keinen Schutzschirm gespannt zu haben. Gleichzeitig argumentierte die Stadtregierung, der Bürgermeister habe im Sommer „unverzüglich“ handeln müssen, weil die Krise unvorhergesehen gekommen sei: „Das passt nicht zusammen“.

Abstimmung: Die Anträge der Opposition fanden nicht die notwendige Mehrheit.

Die 22. Sitzung des Wiener Landtages endete um 14.41 Uhr.

Service

In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unterhttp://www.wien.gv.at/infodatkönnen Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden. Dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Videos und Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten. (Schluss) ato

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