Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 21.06.2023:
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23. Wiener Landtag (4)

Bericht der Wiener Pflege- und Patient*innenanwaltschaft über ihre Tätigkeit im Jahr 2022

LAbg. Mag. Barbara Huemer (GRÜNE) kritisierte einen Mangel an Kassenärzt*innen, lange Wartezeiten, überfüllte Ambulanzen und Intransparenz bei der Vergabe von Terminen – etwa bei OPs. Auch das laut Huemer schlechter werdende Klima zwischen Stadt und Ärztekammer bereite Grund zur Sorge – ebenso wie eine grundlegende Personalnot in vielen Bereichen. Unterbesetzungen führten laut Huemer zu „Behandlungsfehlern“. Es passiere „sehr viel Leid“ und es sei dramatisch, wenn „Menschen sterben, weil Kontrollmechanismen versagen“. Huemer forderte eine Auseinandersetzung mit den Problemen und Hilfe für das Personal in den Spitälern – dieses würde „alleine gelassen“. Huemer kritisierte, dass der Gesundheitsstadtrat „nicht deeskalieren kann“, worunter die Gesprächskultur leide. Huemer bemängelte weiters die Versorgung in Bereichen wie Demenz und Gynäkologie. Sie forderte unter anderem die Erhöhung von Entschädigungen – etwa nach Ansteckungen mit COVID in Spitälern. 

LAbg. Ingrid Korosec (ÖVP) sagte, der Bericht zeige „Missstände“ auf. Das Entlassungsmanagement sei laut Korosec „die größte Hürde“. Patient*innen müssten laut Korosec die Gewissheit haben, auch nach dem Spitalsaufwand gut versorgt zu sein. Dafür brauche es Einfühlungsvermögen und eine gute Organisation. Der Bericht zeige, dass Patient*innen oft entlassen würden, obwohl die reibungslose Weiterversorgung nicht garantiert ist. Dafür brauche es mehr Personalkapazitäten. Korosec fand es „beschämend zu hören“, dass Angehörige Angst hätten, dass es keine ausreichende Versorgung gebe. Gerade bei alten Menschen gebe es viele „Drehtürpatient*innen“, die kurz nach der Entlassung aufgrund mangelnder Versorgung wieder ins Krankenhaus müssten. Korosec empfahl auch einen verstärkten Ausbau der Kapazitäten im niedergelassenen Bereich. Sie stellte einen Beschlussantrag mit der Forderung, ein professionelles Entlassungsmanagement mit den notwendigen Ressourcen zu implementieren. Laut Korosec seien zehn Prozent der Ausbildungsstätten des WIGEV in der Orthopädie unbesetzt – das sei Vorbote eines Personalmangels. Korosec sprach über einen im Bericht geschilderten Fall eines Menschen mit Herzproblemen, der 40 Tage auf eine Angioplastie warten hätte müssen. Während der Wartezeit habe der Patient einen Herzanfall erlitten. Korosec sprach abschließend über die medizinische Hauskrankenpflege und ortete Abgrenzungsprobleme zwischen den diversen Institutionen.

LAbg. Dr. Claudia Laschan (SPÖ) widmete sich dem Thema Mehrklassenmedizin. Es gebe Berichte, dass extramurale Patient*innen schneller an OP-Termine kämen. Laschan meinte, dass Patient*innen bei Zuweisungen mitunter nicht wüssten, dass die Ärzt*innen privat verrechnen würden. So gebe es ein orthopädisches Spital, von dem manche denken würden, es sei Teil des WIGEV-Angebots. Dort habe man in einem Fall eine Patientin direkt in die Privatordination geschickt, nicht in das Spital. Man sagte ihr laut Laschan dort, es würde lange Wartezeiten auf Operationen geben – außer sie leiste eine Zuzahlung. Laschan sagte, sie hat eine Beschwerde an die Ombudsstelle gerichtet. Die Patientin habe im Anschluss an die Beschwerde einen Akuttermin bekommen. Diese Vorgangsweise sei „unmoralisch und nicht zu dulden“. Laschan nannte die Ambulanzwartezeiten als Problem und gab zu bedenken, dass es in den Spitälern Ambulanzen gebe, die Leistungen anböten, die es im zugelassenen Bereich nicht gebe. Auch würden weiterhin Patient*innen aus Niederösterreich aufgenommen, aus diversen Gründen. Der niedergelassene und der private Bereich würden ebenfalls viele Patient*innen in die Ambulanz überweisen. Laschan kritisierte Äußerungen von Ärzt*innen, die Schwangere als „heavy user“, also  als Patientinnen die überdurchschnittlich viel Aufwand erforderten, abkanzelten. Das sei für Laschan nicht annehmbar. Oft würden Ärzt*innen Schwangere dem Spital zuweisen – teilweise auch wegen „fragwürdigen“ Gründen wie dem Verschreiben von Eisenpräparaten. Das wirke sich negativ auf die Wartezeiten aus. Laschan freute sich, dass eine Leistungserfassung für den niedergelassenen Bereich im Entstehen sei. Das sei für die Transparenz und die Gesundheitsplanung wichtig. Die Vernetzung von extra- und intramural funktioniere nicht – so sei die Aufklärung über Medikamentenwechsel teils mangelhaft. Patient*innen müssen einsehen können, wer in ihre Akte involviert war und warum. Das sei mit dem Datenschutz vereinbar, wie man in anderen Städten, etwa der Hauptstadt Estlands, Tallinn, sehe. Laschan kritisierte die Ombudsstellen als ineffektiv. Beschwerden würden mitunter abgekanzelt. Eine Reform sei laut Laschan nötig. Patient*innen seien dazu gezwungen, sich durch das Gesundheitssystem „zu kämpfen“, sie müssten aber geleitet werden. Es gebe etliche Dauergäste in Ambulanzen, die nicht dort sein müssten. 

LAbg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM brachte den zuvor eingebrachten Antrag von Abg. Ingrid Korosec (ÖVP) zum Thema Entlassungsmanagement in neu formulierter Version neu ein.

Dr. Gerhard Jelinek (Wiener Pflege- und Patienten-Anwalt) sprach über sein Bestreben, die eingegangenen Beschwerden zusammenzufassen und im Bericht mit Handlungsempfehlungen wiederzugeben. Es habe in Wien Behandlungsfehler gegeben, teilweise sei es seinem Team gelungen, Entschädigungen zu erzielen. Dem Gesundheitssystem stellte Jelinek ein „gemischtes Zeugnis“ aus. 2022 habe es einen Rückgang an Geschäftsfällen gegeben. 2.973 aktenmäßig dokumentierten Anliegen habe man verzeichnet. 2021 waren es 4.079 gewesen. Beschwerden über Behandlungsfehler hätten mit 790 Fällen aber zugenommen. Der Rückgang der Geschäftsfälle könne mit Corona oder der Arbeit der Ombudsstellen zusammenhängen. Jelinek erklärte, dass es nicht Rolle seiner Abteilung sei, bei Wartezeiten zu intervenieren. Oft sei es aber möglich, für Menschen, die aus dem Spital entlassen werden, für Betreuungsmöglichkeiten zu sorgen. Auch zeige sich, dass die Zahl der Beschwerdefälle im Verhältnis zur Zahl der Behandlungen sehr klein sei, laut Jelinek im Promillebereich. Es gebe aber Probleme – etwa ein veritables Personalproblem. Dies führe würde zu Wartezeiten, Abweisungen, Verschiebungen von OP-Termine und längeren Wartezeiten auf Krankentransporte. Mangelnde Kommunikation sowie Gefährdungsanzeigen seien ebenfalls Folgen. Wenn Personal rasch arbeiten müsse, steige laut Jelinek auch die Gefahr, dass Fehler passieren. Der Bedarf an Pflegekräften werde steigen, man müsse also die Arbeitsbedingungen verbessern. Jelinek hoffte, dass die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zu nachhaltigen Reformen führen würden. Digitalisierung, künstliche Intelligenz und eine Vernetzung von Daten könnten für Entlastungen sorgen. Die Mehrklassenmedizin sei ein wiederkehrender Inhalt von Beschwerden. Untersuchungen würden länger dauern – wenn man nicht bereit sei, diese selbst zu finanzieren. „Dramatisch“ nannte Jelinek auch den Medikamentenengpass im vergangenen Jahr. Jelinek warnte, dass solche Situationen zunehmen würden – es brauche Maßnahmen, um dem vorzubeugen. Einen Personalmangel gebe es auch in der Langzeitpflege. Darunter würden oft Angehörige leiden. Jelinek forderte das Terminmanagement für Rettungs- und Krankentransporte zu verbessern. Er mahnte, dass man die künftige Gefahr von Corona – gerade in Bezug auf vulnerable Gruppen – nicht unterschätzen dürfe. Im Jahr 2022 seien in insgesamt 244 Schadensfällen finanzielle Entschädigungen in einer Gesamthöhe von rund 2,3 Millionen Euro ausgehandelt worden. Dazu hätten auch die 82 Fälle beigetragen, mit denen der Patientenentschädigungsfonds befasst wurde und die zu Entschädigungen in der Höhe von knapp 1,2 Millionen Euro geführt hätten. Die Gesamtsumme der Entschädigungen sei im Vergleich zu Vorjahren konstant – die Höhe der einzelnen Entschädigungen sei gesunken.

Abstimmung: Der Bericht wurde zur Kenntnis genommen. Der Antrag der ÖVP wurde einstimmig an den zuständigen Ausschuss zugewiesen. (Forts.) pos

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