Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 19.10.2023:
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25. Wiener Landtag (2)

Fragestunde

Die vierte Anfrage war an Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gerichtet. LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) fragte nach der Anhebung der Zuverdienst-Möglichkeit für ukrainische Vertriebene in der Grundversorgung. Vier Bundesländer – Niederösterreich, Kärnten, Salzburg und Tirol – hätten die Anhebung auf 485,85 Euro abgelehnt; Wien hingegen nicht. Hacker antwortete kurz und knapp, dass auf Vorschlag des Innenministeriums am 25. November 2022 ein entsprechender Beschluss in der Landesflüchtlingsreferent*innenkonferenz gefasst worden sei und die Anhebung entsprechend des Beschlusses umgesetzt wurde. Für die Kompliziertheit der Regelungen unter anderem bei den Zuverdienstgrenzen zur Grundversorgung könne Wien „nichts“, das sei Angelegenheit des Bundes. Deshalb sei er froh, dass Wien ein Realkostenmodell bei der Verrechnung der Grundversorgung erreicht habe. Überhaupt passiere in Österreich die Integration von ukrainischen Vertriebenen in den Arbeitsmarkt „schleppend“, kritisierte Hacker, andere EU-Staaten hätten es geschafft, einen größeren Anteil der geflüchteten Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Unter den Vertriebenen aus der Ukraine seien viele Frauen und Kinder im Schulalter, ergänzte Hacker. Er sei auch der Meinung, dass alle Flüchtlinge und Asylwerber*innen einen rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt bräuchten.

Die fünfte Anfrage wurde von LAbg. Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE) gestellt und war an Finanzstadtrat KommR Peter Hanke (SPÖ) gerichtet. Margulies wollte von ihm wissen, in welchen Bereichen sich die Mindereinnahmen in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro beim Finanzausgleichsverhandlungen mit dem Bund bei den Wiener*innen bemerkbar machen würden.  Hanke erinnerte an die Forderung aller Landesfinanzreferent*innen nach einem neuen Verteilungsschlüssel beim Finanzausgleich. Die Abgaben und Ausgabendynamik sei eine andere geworden, Länder und Gemeinden hätte neue Schwerpunkte, die auch zu finanzieren seien. Daher brauche es eine gemeinsame Sichtweise mit dem Bund. Unter anderem würde die Abschaffung der kalten Progression dem Bund weniger Einnahmen bescheren. Bund und Länder hätten mit dem Zukunftsfonds einen Kompromiss gefunden, sagte Hanke. Wien werde jedenfalls den hohen Standard der Daseinsvorsorge und der kommunalen Leistungen in der Stadt beibehalten und die Finanzierung selbst stemmen, kündigte Hanke an. Wien sei allerdings für das nächste und übernächstes Jahr gezwungen, wieder Fremdmittel aufzunehmen. Bei einer nächsten Finanzrunde mit dem Bund müsse die Frage der Neuaufteilung des sogenannten vertikalen Verteilungsschlüssels zwischen Bund, Länder und Gemeinden berücksichtig und umgesetzt werden, forderte Hanke.

Aktuelle Stunde

Im Anschluss an die Fragestunde wurde die Aktuelle Stunde debattiert. Thema war: „Staatsbürgerschaft als Privileg darf nicht durch den Wiener SPÖ-Weg des Verscherbelns entwertet werden!“, eingebracht von der FPÖ.

LAbg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ) kritisierte die Wiener SPÖ dafür, dass sie beim anstehenden Bundesparteitag der SPÖ per Beschluss „noch schnellere und einfachere Staatsbürgerschaften“ zur offiziellen Parteilinie machen wolle. Er ortete „Parallelgesellschaften von Zuwanderern aus dem außereuropäischen Raum“, bei denen Antisemitismus und Sympathien für Terror an der Tagesordnung stünden und denen die Stadtpolitik jetzt „die Staatsbürgerschaft noch schneller nachschmeißen“ wollte. Es sei dieser Personenkreis, der „islamistische Tendenzen, Gewalt und Terror nach Europa geholt“ hätte, sagte Nepp. Die Staatsbürgerschaft sei ein extrem hohes Gut, das sich Personen auf allen Ebenen verdienen müssten – dazu gehöre der Erwerb der deutschen Sprache und der Respekt vor dem europäischen Wertesystem; dazu gehöre laut Krauss auch, dass muslimische Zuwandererinnen ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit abnehmen. Er forderte ein Kopftuchverbot im gesamten öffentlichen Dienst, „um der Islamisierung einen Riegel vorzuschieben“. Gewisse Zuwanderergruppen würden nicht nur bei der Kriminalität, sondern auch bei der Arbeitslosenquote und den Sozialhilfeempfänger*innen überrepräsentiert sein, behauptete Krauss. Zwei Drittel aller Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher in Wien hätten schon jetzt keine österreichische Staatsbürgerschaft, das sei kein Zufall, sondern ein System des „Bevölkerungsaustausches“ den die Stadtregierung im Gegenzug für künftige „billige Wählerstimmen“ fördern würde. Er kritisiert erneut den Innenminister und den Bund, die zu wenig gegen illegale Zuwanderung unternehmen und forderte einen Asylstopp für Österreich.

LAbg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) meinte, ihr würde es nach den „populistischen Hasstiraden“ ihres Vorredners „die Nackenhaare aufstellen“, das Gesagte sei „schäbig, unredlich und abzulehnen“. Krauss hätte allen Menschen, die Staatsbürger*innen werden wollen, unterstellt, dass sie islamistisch oder kriminell sind: „Ich habe keine Worte dazu. Wir haben ein anderes Menschenbild“, konterte Bakos. Österreich hätte von 52 in einer Studie untersuchten Staaten eine der niedrigsten Einbürgerungsraten. Nur Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate seien noch restriktiver bei der Vergabe ihrer Staatsbürgerschaft. Die Staatsbürgerschaftsgesetzte in Österreich seien antiquiert und würden nicht mehr in eine moderne Welt passen: Es gebe absurde Vorgaben und Voraussetzungen an das Einkommen von Staatsbürgerschafts-Anwärter*innen oder Obergrenzen für den Aufenthalt im Ausland. Auch könnte etwas Banales wie eine Parkstrafe zur Ablehnung der Staatsbürgerschaft führen.

LAbg. David Ellensohn (GRÜNE) sagte, das Staatsbürgerschaftsrecht sei ein relativ neues Konzept, das sich erst durch die Nationalstaaten etabliert hätte. Es habe im 19. Jahrhundert Gleichheit vor dem Gesetz und Mitsprache bei Wahlen – vorerst übrigens nur für Männer – gebracht. In Österreich hätte es beim Staatsbürgerschafts-Gesetz im letzten Jahrhundert und den Jahren seit der Jahrtausendwende nur Verschärfungen gegeben. Das passe nicht mehr zur modernen Welt, in der sich Menschen zwischen Staaten bewegen. „Wenn in einem Staat viele wohnen und viele kein Recht zu wählen haben, dann ist es keine Demokratie“, warnte Ellensohn. Vor allem in Wien hätte ein Drittel nicht die Staatsbürgerschaft und damit also keine Mitsprache darüber, wie sich die Stadt entwickele. „Wenn wir die Mitbestimmung nicht von der Staatsbürgerschaft entkoppeln können, müssen wir den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtern“, sagte Ellensohn. Er forderte raschere Verbesserungen bei der für die Staatsbürgerschaft zuständigen Magistratsabteilung (MA) 35.

LAbg. Hannes Taborsky (ÖVP) konterte, nur hier zu wohnen sei nicht genug, um sich zu diesem Staat zu bekennen, was die antisemitischen Demonstrationen der vergangenen Tage gezeigt hätten. Er widersprach auch seinem Vorredner der FPÖ: Die „Asylbremse“ des Bundes würde funktionieren, es gebe weniger Asylanträge, effiziente Kontrollen an der Grenze und Schließung der Routen über den Balkan. Auch würden die Asylverfahren beschleunigt, sagte Taborsky, „straffällige Asylwerber werden außer Landes gebracht und Schlepper konsequent verfolgt“. Auch hätte die aktuelle Bundesregierung weniger für Asyl ausgegeben als ihre Vorgänger mit blauem Innenminister. Wer sich zu Österreich bekenne, einen „gesunden Patriotismus“ zu einer freien und demokratischen Gesellschaft pflege, der sei als Staatsbürger „brauchbar“; wer sich zur Türkei bekenne oder Islam-Terror feiern würde und Israel von der Landkarte löschen wolle, hingegen nicht, sagte Taborsky. Er lehnte auch Doppelstaatsbürgerschaften ab. Mit der ÖVP werde es keinen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft geben, versprach er, allerdings müssten die Verfahren in der MA 35 beschleunigt werden, damit die Menschen auch rasch Klarheit hätten.

LAbg. Dr. Mireille Ngosso (SPÖ) kritisierte das „besonders restriktive, bürokratische und kostenintensive“ Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich. Der schwere Zugang zur Staatsbürgerschaft hätte drastische Auswirkungen: 1,4 Millionen Menschen im Wahlalter könnten nicht an Wahlen teilenehmen, seien aber von den politischen Entscheidungen betroffen. In Wien sei ein Drittel nicht wahlberechtig, davon würden 80 Prozent seit mehr als fünf Jahren hier leben. Sie forderte ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das Integration und Teilhabe fördert. Ein in Österreich geborenes Kind soll die Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sich mindestens ein Elternteil fünf Jahre legal in Österreich aufgehalten habe, sagte Ngosso. Die Wartezeit auf die Staatsbürgerschaft sollte auf fünf Jahren gekürzt werden und die hohen Bundes-Gebühren für die Ausstellung abgeschafft werden. Der Zustand jetzt sei „desintegrativ“, wer ausgeschlossen werde, fühle sich nicht als Teil der Gesellschaft, argumentierte Ngosso. „Es ist an der Zeit die Türen zur Staatsbürgerschaft zu öffnen. Sie darf kein Privileg der Abstammung oder von Wohlstand sein. Wer hier lebt, sollte die faire Chance bekommen, Staatsbürger zu werden und sich in die Gesellschaft einzubringen.“ Ein faires Staatsbürgerschaftsrecht würde die Demokratie stärken, meinte Ngosso. (Forts.) ato

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