Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 25.10.2023:
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Wohnungsgemeinnützigkeit als Vorbild für die Ukraine und Europa

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Austausch zum Wiener und österreichischen Modell im Wien-Haus in Brüssel

In den vergangenen Monaten haben nicht zuletzt auch Wiener Expert*innen in Zusammenarbeit mit wichtigen Wohnbauakteur*innen und Wohnbauforscher*innen aus Europa an konkreten Ideen gearbeitet, um schon jetzt, aber v.a. für die Zeit nach dem Krieg, in der Ukraine leistbares Wohnen für die Menschen zu sichern. Am Dienstag wurde nun im Verbindungsbüro der Stadt Wien in Brüssel ein erstes Ergebnis dieser Kooperation präsentiert. Einleitend berichtete Abgeordnete Estrella Dura Ferrandis über die laufende Arbeit des Europäischen Parlaments im Bereich Wohnen: „Wohnen muss als Menschenrecht gesehen werden, dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen für öffentliche Investitionen,“ betonte sie und schlug die Schaffung eines europäischen Wohnbaufonds vor. Die Leiterin des Wien-Hauses, Michaela Kauer, überbrachte Grußworte des Wiener Bürgermeisters Dr. Michael Ludwig, der sich erfreut zeigte, dass das Wiener Modell des sozialen und leistbaren Wohnens auch für den Wiederaufbau in der Ukraine als gutes Beispiel herangezogen wird. Unter den zahlreichen Gästen waren u.a. die Leiterin des Büros des Internationalen Mieterbundes in Brüssel, Barbara Steenbergen, Partner*innen aus dem kommenden EU-Vorsitzland Belgien, UN-Habitat, Eurocities, dem Ausschuss der Regionen sowie Kolleg*innen aus anderen Städte- und Regionalbüros vertreten.

Shnaider und Lawson: „Wohnen im Mittelpunkt des Wiederaufbaus der Ukraine“

Mit der laufenden Initiative „Rebuilding a place called home“ wird ein systematischer Ansatz für den Wiederaufbau der Ukraine auf der Grundlage europäischer Vorbilder vorgestellt. Das Papier „Common Good Housing“ der Autor*innen Prof. Julie Lawson, Dr. Wolfgang Amann, Oleksandr Asimov und Pavlo Fedoriv zielt auf die Etablierung eines gemeinnützigen Wohnbausektors in der Ukraine ab, der einen breiten Zugang für leistbares Wohnen für alle ermöglichen soll. Bei der Veranstaltung im Wien-Haus berichtete Vita Shnaider, ukrainische Wohnbauforscherin und Mitglied der NGO „New Housing Policy“ über die Lage in ihrem Land. Wichtig sei die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für die langfristige Sicherung von nicht- oder gering gewinnorientierten Wohnformen in der Ukraine; derzeit sind die Rahmenbedingungen dafür erst teilweise vorhanden.

Julie Lawson, Professorin am „Royal Melbourne Institute of Technology“ in Melbourne, Australien und führende Wohnbauforscherin des „Housing 2030“ Projektes der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, unterstrich wie wichtig es generell sei, voneinander zu lernen und die besten Beispiele für die Lösung konkreter Probleme zusammenzutragen, „die Kolleg*innen aus dem akademischen Bereich und der Zivilgesellschaft in der Ukraine sind unglaublich engagiert, um beim Wiederaufbau das Thema Wohnen in den Mittelpunkt zu stellen.“ Es sei nun wichtig, dies auch bei der Gestaltung der Ukraine-Hilfe abzusichern.

Amann: Lösung des Wohnungsproblems braucht starke gesetzliche Grundlage

Teil des Vorschlags der Expert*innen ist ein Gesetzesentwurf für Wohnungsgemeinnützigkeit, der nach dem österreichischen Vorbild neben allgemeinen Definitionen über Struktur, Geschäftsmodell und Aufgaben von nicht-gewinnorientierten Wohnbauträgern auch Regelungen zu Kosten und Aufsicht beinhaltet. Wolfgang Amann, Koordinator des Vorschlags, der auf dem 200seitigen österreichischen Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz beruht, betonte: „wir haben hier die wichtigsten Elemente in 18 Artikeln auf sechs Seiten zusammengefasst.“ Das erfolgreiche System in Österreich sei nicht eins-zu-eins übertragbar, aber als Orientierung gedacht, wichtig bei der Gemeinnützigkeit sind u.a. die Kostenmiete, der Rückfluss der Gewinne in das System, gebundene Vermögenswerte, eine klare Beschränkung des Geschäftskreises und eine strikte Aufsicht. Das österreichische Modell der Wohnungsgemeinnützigkeit ist seit kurzem als österreichischer Beitrag zum „Ukraine-Wiederaufbauprogramm im Rahmen des Neuen Europäischen Bauhauses“ anerkannt.

Gajda: Bei der Finanzierung auf Langfristigkeit und Stabilität achten

Grzegorz Gajda, leitender Ökonom der Europäischen Investitionsbank, wies darauf hin, dass die EIB über viel Erfahrung mit Wohnbau verfüge, „auch in sehr unterschiedlichen nationalen Kontexten.“ Es sei gut, über den Aufbau von gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen und anderer Modelle, die leistbares Wohnen sichern, nachzudenken und jetzt mit konkreten Projekten zu beginnen.

In der anschließenden regen Debatte, die von Anna Iafisco, Wohnbauexpertin von Eurocities moderiert wurde, kam deutlich heraus, dass das Interesse für einen starken gemeinnützigen Sektor weit über die Ukraine hinausgeht. Michaela Kauer sprach aus ihrer Erfahrung als Koordinatorin der EU-Städtepartnerschaft Wohnen die Frage der Übertragbarkeit von Systemen und Strategien an: „Vieles, das für Wiener*innen selbstverständlich ist, kennen andere Städte und Länder so nicht. Daher ist es uns wichtig, uns in europäischen Projekten und Organisationen zu engagieren, die den Austausch und das Voneinander Lernen fördern, wie etwa im Rahmen der EU-Städteagenda. Hier haben wir gemeinsam in einer Partnerschaft von Städten, Mitgliedstaaten, Stakeholder-Organisationen, EU-Institutionen und Wissenschaft aufgezeigt, was es für gute Wohnungspolitik braucht. Erfreulich ist, dass die Diskussion auf europäischer Ebene immer mehr in Richtung soziales, leistbares und gemeinnütziges Wohnen für alle geht,“ so die Leiterin des Verbindungsbüros abschließend.

Hintergrund

Jedes Jahr reisen zahlreiche Besucher*innengruppen aus dem Ausland nach Wien, um sich über das „Wiener Modell des sozialen und leistbaren Wohnens“ zu informieren, und Vertreter*innen der Stadt Wien sind immer wieder eingeladen, bei internationalen und europäischen Partner darüber zu berichten. Wien und der österreichische Zugang zur Wohnungsgemeinnützigkeit werden gerne als Vorbild für andere Länder empfohlen, nicht zuletzt von Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). 

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