Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.12.2023:
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27. Wiener Landtag (2)

Aktuelle Stunde

An die Fragestunde anschließend wurde die Aktuelle Stunde debattiert. Das Thema – eingebracht von den Wiener Grünen – lautete: „Leerstand ist Wohnungsraub – Auch auf Wiener Landesebene ist eine verfassungskonforme Gesetzesvorlage zur Einhebung einer Leerstandsabgabe vom Amt der Wiener Landesregierung auszuarbeiten“.

LAbg. Georg Prack, BA (GRÜNE) meinte, die zentrale Geschichte einer Weltreligion – die christliche Herbergssuche von Maria und Josef – habe mit Wohnungsmangel begonnen. Auch in der Jetztzeit gebe es lange Wartezeiten auf Unterkünfte, in Wien beispielsweise bei Gemeindebauwohnungen. Denn Spekulant*innen würden Wohnungen in Wien lieber leer stehen lassen, als diesen Wohnraum Personen oder Familien anzubieten. Wohnungen würden als Anlageobjekte betrachtet werden, das gelte nicht nur im Altbau, sondern auch im Neubau. 15 Prozent von neuen Wohnungen in Wien würden laut einer Studie leer stehen, um sie als Spekulations- oder Anlageobjekte zu nutzten – „das ist Wohnraub, dagegen müssen wir uns als Stadt endlich zur Wehr setzen“, verlangte Prack, der meinte, dass rund 7 Prozent der Wohnungen in Wien leer stehen würden. „Die Stadt tut zu wenig dagegen, führen Sie eine echte Leerstandsabgabe ein“, verlangte Prack von der Wiener Stadtregierung. Denn jede leerstehende Wohnung führe zu höheren Preisen auf dem Wohnungsmarkt. In anderen Bundesländern sei diese bereits in Kraft. Auch Wien habe die Möglichkeit aktiv zu werden, etwa mit einer moderaten Abgabe, um damit Wohnungen wieder zurück auf den Markt zu bringen. Pracks Vorschlag: Eine Besteuerung von leerstehenden Wohnungen würde Wohnraum aktivieren oder aber auch Geld für Wohnungsneubau ins Budget spülen. Eine Leerstandsabgabe würde überdies zu genauen Daten über den Leerstand von Wohnungen in Wien führen. Derzeit könne man nur vermuten, wie hoch er Leerstand sei. Diese „stille Reserve“ von wenigstens 10.000 Wohnungen solle dem Wohnungsmarkt wieder zugeführt werden, verlangte Prack.

StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) sagte, er sei gegen eine Leerstandsabgabe, weil diese einen enormen Eingriff in die Grundrechte und die Freiheitsrechte bedeuten würde. Das Rezept der Grünen sei „Belastung, Belastung, Belastung und durch Strafen die Menschen erziehen.“ Diese Bevormundung und staatliche Kontrolle lehne er vehement ab. Der größte Leerstandsabgabenzahlerin wäre nach Ansichts Nepps die Stadt Wien, denn unsanierte Gemeindewohnungen könnten nicht bezogen werden. Es müsse mehr Transparenz bei Gemeindewohnungen und mehr Sanierungen geben, damit diese Wohnungen wieder auf den Markt kämen. Wenn die Stadt ihre „Hausübungen“ bei den Sanierungen von Gemeindewohnungen mache, dann brauche es keine „kommunistischen Ideen“ der Grünen, meinte Nepp.

LAbg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) schloss sich ihrem direkten Vorredner an: Sie habe einen tiefen Respekt vor dem Eigentumsrecht, der freie Markt habe bei Leerständen sehr wohl Möglichkeiten einzugreifen. Ein geringer Leerstand von ein bis drei Prozent sei für einen gesunden, dynamischen Wohnungsmarkt sinnvoll, damit die Menschen die Möglichkeit bekommen, sich zu verändern. Valide Daten und Zahlen für den Leerstand wären aber sehr wohl notwendig: „In welchem Sektor des Wohnungsmarkts kommt es zu Leerständen und was sind die Gründe für den Leerstand?“, fragte Arapovic. Zunehmender Leerstand sei nach ihrer Ansicht in Altbauten bemerkbar, da dort höhere Energiekosten etwa durch fehlende Fenstersanierungen zu weniger Attraktivität für die Mieter*innen führe.

LAbg. Dr. Peter Sittler (ÖVP) meinte, das Vorhaben scheitere bereits an der Definition von Leerstand: Das bewusste Leerstehen lassen von Wohnungen gebe es in Wien gar nicht. Konkrete Zahlen seien gar nicht vorhanden, seien aber wichtig, um einen möglichen Leerstand „anzugehen“. Solange es die Zahlen nicht gebe, könne man nichts planen, meinte Sittler. Die Einhebung einer Abgabe durch die Stadt Wien würde „enorme Kosten“ durch den bürokratischen Aufwand verursachen. Eine Abgabe wäre auch der erste Schritt zur Enteignung, außerdem wäre das kein Schritt hin zu leistbaren Wohnungen.

LAbg. Waltraud Karner-Kremser, MAS (SPÖ) kritisierte, dass die Bundes-Grünen von der SPÖ vorgeschlagene Maßnahmen zu leistbarem Wohnen stets abgelehnt hätten. Die Sozialdemokratie wolle seit über 40 Jahren eine Leerstandsabgabe, doch die gesetzliche Voraussetzung müsse vom Bund ausgehen, meinte Karner-Kremser. Es brauche ein Gesetz, damit eine begründete Leerstandsabgabe eingeführt werden könne – „und nicht ein Körberlgeld für die Stadt“. Dazu brauche es aber ein Bundesgesetz, wiederholte Karner-Kremser ihr Argument.

LAbg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ) meinte, eine Leerstandsabgabe sei der erste Schritt zur Enteignung, deshalb lehne er dieses Konzept ab. Der größte Vermieter in Wien sei die Stadt, dort gebe es 150.000 Wohnungen, die saniert werden müssten. „Machen Sie Politik für die Mieterinnen und Mieter, und nicht für ihr politisches Klientel“, verlangte Krauss von der Stadtregierung. Eine weitere Forderung des Abgeordneten: Mehr Neubauten im sozialen Wohnbau in Wien, „wie es Michael Ludwig bereits als Wohnbaustadtrat angekündigt hatte“.

LAbg. Mag. Angelika Pipal-Leixner, MBA (NEOS) sprach über eine Leerstandsabgabe bei Gewerbeobjekten wie Lokalen oder Büros. In der Krise seien viele Lokale in Einkaufsstraßen in den Außenbezirken leer geworden, auch weil notwendige Sanierungen mit den dort erzielbaren Mieten nicht leistbar seien. Eine Leerstandsabgabe könne dazu führen, dass Privatpersonen gezwungen wären, das eigene Objekt zu verkaufen. Das könne dazu führen, dass nicht nur Gewerbeflächen, sondern auch Mietraum verloren gehe. Grätzl-Einkaufsstraßen in den Außenbezirken müssten durch Verkehrsberuhigung und Begrünungen attraktiver werden, dabei müssten die Betroffenen unterstützt und nicht bestraft werden.

StRin Mag. Judith Pühringer (GRÜNE) meinte, mit einer Leerstandsabgabe könnten zwei Drittel aller derzeit leerstehenden Wohnungen aktiviert werden. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer zeige, dass im Neubau 20 Prozent keinen Hauptwohnsitz und 15 Prozent keinen Nebenwohnsitz aufweisen können. „Diese Zahlen von Leerstand sind einfach zu hoch, wenn wir das Menschrecht auf leistbares Wohnen ernst nehmen“, kritisierte Pühringer. Einige Bundesländer hätten bereits gezeigt, dass man nicht auf den Bund warten müsse, um valide Zahlen zu bekommen. In Frankreich gebe es eine Abgabe seit 1999, da würden die vorliegenden Zahlen zeigen, dass Mieter*innen von einer Leerstandsabgabe profitieren. „Führen Sie eine solche Abgabe ein“, forderte Pühringer die Stadtregierung auf.

LAbg. Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) sagte, diese Diskussion zeige ihm, dass Wien nicht nur die Stadtregierung, sondern mit den Grünen auch eine Oppositionspartei habe, „die alles mit finanziellen Belastungen lösen will“. Das Wohnen in der Stadt sei in den letzten Jahren teuer geworden. 40 Prozent der Menschen in Wien würden im geförderten Wohnraum wohnen, das zeige von sozialer Treffsicherheit. Die soziale Mischung im Gemeindebau sei wünschenswert, aber man müsse aufpassen, „dass Spitzenverdiener nicht die gleiche Miete haben wie andere, denen es nicht so gut geht“. Auch die Betriebskosten seien massiv gestiegen, etwa durch die Gebühren, die die Stadt Wien einhebe. „Über den Umweg der Abgaben holt sich die Stadt ein Körberlgeld, das kann keine soziale Wohnraumpolitik sein“, meinte Juraczka. Wien wachse – „das ist gut so“–, aber es brauche nach seiner Ansicht keine Zuwanderung ins Wiener Sozialsystem. Im geförderten Wohnbau habe in den letzten Jahren die Möglichkeit zur Eigentumsbildung abgenommen, das wäre aber eine wichtige Maßnahme, um gegen Altersarmut vorzugehen, meinte Juraczka.

LAbg. Georg Niedermühlbichler (SPÖ) sagte, er sei für eine Abgabe, die einen „echten Lenkungseffekt“ habe, doch die Voraussetzungen dafür seien durch den Bund nicht gegeben. Der Aufbau einer Struktur zur Erhebung einer Abgabe würde einen gewaltigen Verwaltungsaufwand bedeuten, dies mache aufgrund der damit verbundenen Kosten und der geringen Einnahmen „keinen Sinn“. Zudem gebe dadurch es keinen Lenkungseffekt im Wohnsektor. In Bundesländern wie etwa in Salzburg oder Tirol gebe es eine Masse von Ausnahmen bei den dort geltenden Abgabenregelungen. Die Kosten einer etwaigen Leerstandsabgabe könnten außerdem von Vermieter*innen steuerlich abgesetzt werden – „da fließt die Hälfte der Einnahmen wieder zurück“. Eine solche Abgabe mache in Wien keinen Sinn, das sei nur über eine Bundesregelung möglich, meinte Niedermühlbichler. „Keiner macht soviel für leistbares Wohnen wie die Stadt Wien – das ist unsere Kernkompetenz und das bleibt auch so“, schloss Niedermühlbichler.

Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Wiener Bezügegesetz 1997 (7. Novelle zum Wiener Bezügegesetz 1997) geändert wird

StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) meinte, dass seine Position klar sei: „Gerade in schwierigen Zeiten ist es nicht notwendig, die Gehälter von Spitzenpolitikern zu erhöhen“. Nepp brachte einen Antrag zu einer Nulllohnrunde für Spitzenpolitikerinnen und -politiker in Wien ein.

LAbg. David Ellensohn (GRÜNE) brachte einige Fakten vor. In den drei Bundesländern, in denen die Freiheitlichen mit in der Regierungsverantwortung seien, würden die Gehälter „natürlich“ erhöht werden. Die zugrundeliegende Gehaltspyramide könne „natürlich“ immer diskutiert werden, wenn es aber ein Bekenntnis zu dieser Pyramide gebe, solle bei einer hohen Inflation, eine Anpassung erfolgen, meinte Ellensohn. Wien setze diese Erhöhung erst in der Jahresmitte 2024 um, lasse also das halbe Jahr aus. Abschließend zählte Ellensohn „Verfehlungen“ aus der FPÖ-Vergangenheit und von den derzeitigen Ermittlungen gegen die Grazer Freiheitlichen auf.

Abstimmung: Der Gesetzesentwurf wurde mehrstimmig angenommen. Der FPÖ-Antrag erlangte die erforderliche Mehrheit nicht.

Die 27. Sitzung des Wiener Landtages endete um 11.20 Uhr.

Service

In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter www.wien.gv.at/infodat können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden. Dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Videos und Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten. (Schluss) nic

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