Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 04.09.2024:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

35. Wiener Landtag (2)

LAbg. Kurt Wagner (SPÖ) erklärte, das Thema Mindestsicherung sei bereits mehrmals im Gemeinderat debattiert worden. Die SPÖ werde bei ihrer Meinung bleiben: Einer bestimmten Fraktion in diesem Haus gehe es darum, die Gesellschaft zu Spalten und Menschen gegeneinander auszuspielen und Neid zu schüren. Es gebe in Wien rund 10.000 Menschen, die trotz Erwerbseinkommen von ihrem Job nicht leben könnten und deshalb auch Mindestsicherung beziehen würden. Er forderte die Arbeitgeber*innen auf, bessere Löhne zu zahlen statt sich gegen die Millionärssteuer zu sperren. Wagner erinnerte daran, dass die Schwarz-Blaue Novelle des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes zum Teil vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden sei. Das von der Opposition geforderte „Dänische Modell“ mit Wartefristen und Diskriminierung von Ausländern sei in Österreich nicht umsetzbar. Er forderte stattdessen eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung in allen Bundesländern. Wien halte sich an die Maxime, jenen zu helfen, die Hilfe benötigten - insbesondere Kindern und das, ohne Unterschiede zu machen, so Wagner. Er zitierte den Wiener Wiener Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen Julius Tandler und forderte „Kindern Paläste zu bauen“.

LAbg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ) konterte seinem Vorredner: In Wien seien zum Schulstart Containerklassen aufgestellt worden und Kinder müssten in überfüllten Klassen sitzen - da könne von Kindern Paläste bauen zu wollen keine Rede sein. Die FPÖ habe in der Vergangenheit hunderte Anträge zum Thema Mindestsicherung eingebracht - teils mit konkreten Lösungsvorschlägen und Modellen, so Krauss. Daher lasse er sich nicht vorhalten, der FPÖ gehe es beim Thema nur um Polemik. Er lobte den „Whistleblower“, der den Fall von der syrischen Großfamilie öffentlich gemacht habe, die bis zu 4.600 Euro Mindestsicherung bekomme. Vielen Leuten sei bis dato nicht klar gewesen, in welchem Ausmaß Steuergeld in Wien verschwendet werde. Kritik daran komme auch aus der Bürgermeister-Partei SPÖ, meinte Krauss. Er betonte abermals, dass der Großteil der Menschen in der Mindestsicherung keine österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Finanziert würden die üppigen Mindestsicherungs-Zahlungen in Wien von den „fleißigen Menschen in der Stadt, die jeden Tag arbeiten gehen“. Die Wiener Mindestsicherung sei ein „Magnet“ für die „Zuwanderung ins Sozialsystem“, kritisierte Krauss.

LAbg. Georg Prack, BA (GRÜNE) sagte, die Mindestsicherung sei ein Instrument um Armut von Kindern zu verhindern. Man könne diskutieren, in welchem Ausmaß oder ob Kinder mit Sachleistungen oder Geld zu unterstützten sind; Kinder in ihrer Notlage alleine zu lassen stehe aber nicht zur Debatte, sagte Prack. Er verwehrte sich gegen Diskriminierung - es dürfe für die Unterstützung von Kindern keine Rolle spielen, welche Religion, Hautfarbe oder Herkunft sie hätten oder wie viele Geschwister sie hätten. Schutz von Kindern entscheide in einer Gesellschaft zwischen Zivilisation und Barbarei, sagte Prack. Die Höhe der Wiener Kindermindestsicherung sei an Indikatoren wie der Armutsgefährdungsschwelle gemessen, in anderen Bundesländern blieben Kinder also trotz Unterstützung unter der Armutsschwelle, gab Prack zu bedenken. Die „Story, dass Mindestsicherungsbezieher*innen nicht arbeiten wollten“, sei eine, die von der Opposition gesponnen werde: Viele Bezieher*innen seien sogenannte „Aufstocker*innen“, betonte Prack.

LAbg. Hannes Taborsky (ÖVP) lobte die Arbeit der Bundesregierung: Österreich habe trotz Krisen aktuell die zweithöchste Kaufkraft in der EU nach Luxemburg. Es gehe nicht darum die Mindestsicherung abzuschaffen, sondern „ein Gleichgewicht zwischen Einkommen mit Leistung und ohne Leistung“ herzustellen, meinte Taborsky. Wenn es sich mehr auszahle, in der Mindestsicherung zu bleiben statt arbeiten zu gehen, sei das ein Problem. Die „Leistungsträger*innen im Land“ müssten mehr unterstützt werden, forderte Taborsky: Es seien eben diese Leistungsträger*innen, die alle Sozialleistungen mit ihren Steuern finanzieren würden. Wien mit seinen „überbordenden Sozialleistungen“ schaffe einen „Pull-Faktor“ für Migrant*innen, die schlechten Lebensumstände in ihren Herkunftsländern hinter sich lassen wollten. Die hohe Mindestsicherung sei „die beste Werbung für die Schlepper von hier bis zum Hindukusch“, sagte Taborsky. Er forderte die Einführung von Zahlkarten für Asylwerber*innen. Außerdem kritisierte Taborsky die Sicherheitspolitik der FPÖ - er lehnte den Einsatz des Militärs zur Unterstützung der Polizei in Wien wie von der FPÖ medial gefordert, ab. Er forderte einen „Restart der Sozialpolitik in Wien“, die Mittel für die Mindestsicherung könnten bei anderen Brennpunkten wie Schulen oder dem Gesundheitssystem besser eingesetzt werden, so Taborsky.

LAbg. Marina Hanke, BA (SPÖ) wollte einen Faktencheck zur Mindestsicherung machen: 37% der Bezieher*innen seien Kinder, 9% Erwachsene, 11% Pensionisten und Menschen mit Behinderung. Mehr als die Hälfte der Personen in der Mindestsicherung seinen „Menschen, von denen hoffentlich alle einverstanden sind, dass diese Hilfe brauchen“, sagte Hanke. In Österreich sei jedes fünfte Kind von Armut gefährdet, davon seinen überproportional viele Kinder von Alleinerzieher*innen. Armutsbetroffen zu sein bedeute in einer kalten oder zu heißen oder schimmeligen Wohnungen zu leben, einen verkürzten Bildungsweg zu haben und deshalb weniger Chancen: „Ein Kind ist ein Kind ist ein Kind - und jedes Kind ist für uns als Sozialdemokratie gleich viel wert“, sagte Hanke. Das aufzuzeigen und dagegen einzutreten sei keine „Rührseligkeit“ wie von der Opposition kritisiert. Die Regierungsparteien würden just Alleinerzieher*innen und Kindern Geld streichen und würden gegen Lohndumping stimmen und sich mit Unternehmer*innen übe niedrigere Lohnabschlüsse freuen. Viele der Mindestsicherungsbezieher*innen seien „Aufstocker*innen“. Sie forderte bessere Löhne und Jobs, von denen Menschen auch leben könnten. Die Polemik gegen Ausländer*innen und Flüchtlinge dienten als Ablenkung von der gescheiterten Wirschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung, sagte Hanke.

LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) wollte nicht verstehen, warum mit jedem Kind mehr Mindestsicherung ausgezahlt werde, es aber für arbeitende Menschen nicht mehr Gehalt bei mehr Kindern gebe. Das aktuelle Sozialhilfegesetz und die Wiener Regelung der Mindestsicherung seien reparaturbedürftig; diesen Reparaturen wolle sich die FPÖ in Regierungsverantwortung annehmen, kündigte Seidl an. Die Zahl der Menschen in der Mindestsicherung sei in den vergangenen Jahren zwar nicht angestiegen, so Seidl, allerdings werde immer mehr Geld dafür aufgewendet. Für die Mindestsicherung werde in Wien rund eine Milliarde Euro ausgegeben - und der Großteil davon an Menschen, die noch nie in das Sozialsystem eingezahlt hätten, so Seidl. Inzwischen hätten 64% der Menschen in der Mindestsicherung keinen österreichischen Pass. Er kritisierte Sozialstadtrat Hacker, der die Zahlen dazu trotz mehrmaliger Anfragen im Gemeinderat nicht habe herausrücken wollen.

LAbg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) gab der Bürgermeister-Partei SPÖ die Verantwortung für die steigende Armut in Wien - schließlich sei die SPÖ in der Stadt seit knapp 100 Jahren an der Macht. Die Stadtregierung würde unter anderem das Valorisierungsgesetz laufend anpassen und mehr Gebühren einheben und gleichzeitig Menschen in der Mindestsicherung subventionieren, so Guggenbichler. Die Mindestsicherung in Wien müsse reformiert werden und „Pull-Faktoren“ gestrichen werden, forderte Guggenbichler. Es forderte eine Entlastung für arbeitende Menschen, zum Beispiel bei der Rezeptgebühr in der Apotheke oder bei der „Zwangsgebühr für den ORF“. Er kritisierte die ÖVP dafür, die Position der FPÖ zu kopieren. Unter einem ÖVP-Innenminister seien übrigens die meisten Asylanträge gestellt worden, erinnerte Guggenbichler.

Abstimmung: Die Anträge der Opposition fanden nicht die notwendige Mehrheit. Der Antrag der SPÖ und Neos zum Thema bundesweite Regelung der Sozialhilfe wurde mehrstimmig angenommen. Ebenso ein Antrag zur Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge, auch von SPÖ und Neos.

Der 35. Wiener Landtag endete um 12:16 Uhr.

Service

In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter www.wien.gv.at/infodat können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden. Dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Videos und Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten. (Schluss)

Rückfragehinweis für Medien

  • Rathauskorrespondenz
    Stadt Wien - Kommunikation und Medien
    Diensthabende*r Redakteur*in Service für Journalist*innen
    Stadtredaktion
    Telefon: 01 4000-81081
    E-Mail: dr@ma53.wien.gv.at
    Website: https://presse.wien.gv.at