57. Wiener Gemeinderat (1)

Die 57. Sitzung des Wiener Gemeinderats in der laufenden Wahlperiode begann heute um 9 Uhr. Debattiert wurde auf Verlangen des Rathausklubs der Grünen zum Thema „Hitzetage, Tropennächte, Überflutungen: Wien braucht Grün und Natur statt Beton und Autobahnen“. Wie bei jedem Gemeinderat auf Verlangen entfallen Fragestunde und Aktuelle Stunde. 

Zur Begründung der Einberufung der Sitzung trat StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) als Erstredner vor den Gemeinderat. Kraus sagte, dass der Antrag bereits vor drei Wochen gestellt wurde, um auf den Sommer und die Auswirkungen der Klimakrise mit Tropennächten und Hitze aufmerksam zu machen. Doch womit Kraus niemals gerechnet habe, seien die Überschwemmungen vom Wochenende gewesen: „Nach der Hitze kam die Flut.“ Kraus sprach seinen Dank an alle Einsatzkräfte in Niederösterreich und Wien für deren Arbeit im Hochwassereinsatz aus sowie sein Beileid an die Familien, die bei der Flut Angehörige verloren haben. Kraus zeigte sich froh über Einrichtungen in Wien wie die Donauinsel, die Renaturierungsmaßnahmen und die Rückhaltebecken: „Das ist der Weg, den wir weitergehen müssen, um Wien vor weiteren Unwetterereignissen zu schützen.“ Jetzt gelte es, die Ursachen der Überschwemmungen zu analysieren und zu benennen, um dann „entschlossen“ handeln zu können. Die Ursachen für Überschwemmungen seien etwa die starke Aufheizung der Meere; mit jedem Grad mehr an Temperatur könne die Luft sieben Prozent mehr an Feuchtigkeit aufnehmen. Der Zusammenhang solcher furchtbarer Wetterextreme mit dem Klimawandel sei unumstritten. „Wir steuern auf einen nasseren Planeten zu. Die Klimakrise führt dazu, dass die Intensität und Häufigkeit von Unwetterereignissen zunehmen werden“, so Kraus. Oberste Priorität habe jetzt unbürokratische Hilfe und volle Unterstützung bei den Aufräumarbeiten, dann gelte es die richtigen Maßnahmen zu setzen. Für die Extremwetterereignisse von morgen müssten alle aktuellen Sicherheitsvorkehrungen genau begutachtet und gegebenenfalls neu dimensioniert werden, verlangte Kraus. Etwa bei der Größe und Anzahl der Rückhaltebecken im niederösterreichischen Umland oder weiterem technischen Hochwasserschutz in Wien. Eine großzügige Renaturierung, vor allem im Einzugsgebiet des Wienflusses und bei seinen Zuflüssen, sowie die Weiterführung der Renaturierung beim Liesingbach seien ebenso notwendig. Flächenversiegelung sei ein weiteres Thema, das Hochwässer begünstige. Auch der Bodenfraß sei bei solchen Ereignissen ein Thema: Je mehr Grünflächen versiegelt würden, desto schlechter könnten Wassermengen aufgenommen werden. So würden etwa beim Bau des geplanten Lobautunnels rund 385 Hektar an Grünflächen versiegelt, was der gesamten Fläche des 15. Bezirks entspreche. Österreich sei im internationalen Vergleich leider absoluter Spitzenreiter, was Bodenversiegelung betrifft: „Wir brauchen hier eine Trendwende.“ Er verstehe auch nicht, dass im Regierungsantrag von SPÖ und NEOS für die heute Sitzung die Obergrenze von 2,5 Hektar Bodenversiegelung pro Tag gestrichen worden sei. In den letzten Jahren sei beim Ausbau des Klimaschutzes „so viel weitergegangen wie nie zuvor“, was sich etwa bei den sinkenden fossilen Emissionen zeige. Dieser eingeschlagene Weg müsse weiter beschritten werden, da dürfe es keine Rückschritte geben, verlangte Kraus. „Wir müssen der Natur auch in der Stadt mehr Platz geben, also mehr Grün statt Beton“, forderte Kraus. 

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) zeigte ebenfalls seine Anteilnahme für die Angehörigen der Opfer des Hochwassers und zollte dem Zusammenhalt in der Bevölkerung seinen Dank. Der Ausbau des Hochwasserschutzes in Wien sei auch für ihn „natürlich“ unstrittig. Die Bodenversiegelung durch Verkehrsflächen sei für die Grünen nach seiner Ansicht ein zwiespältiges Thema, denn die Planung etwa der Stadtstraße sei in einem grünen Ressort erfolgt. 2011 habe die Stadt Wien dafür die Planung übernommen, 2012 und 2013 seien entsprechende Beschlüsse in den zuständigen Ausschüssen, im Stadtsenat und im Gemeinderat erfolgt - „alle mit grünen Stimmen“, so Guggenbichler. Auch ab 2015 sei das Vorhaben seitens der Wiener Grünen weiterverfolgt worden. „Wien ist noch nie so zubetoniert worden wie zwischen den Jahren 2010 bis 2020“, vermutete Guggenbichler. Jüngere Vorschläge für die Umgestaltung des Wienflusses seitens der Grünen seien „gegen den Hochwasserschutz erfolgt: Was die Renaturierung in der Stadt betrifft, brauchen Sie niemand etwas erzählen“, sagte Guggenbichler in Richtung seines Vorredners. Die Regierungsparteien im Bund hätten nach dem Unwetter die Chance gehabt, schnelle Hilfe für die Betroffenen des Hochwassers zu leisten. Doch ÖVP und Grüne hätten gestern im Parlament gegen einen Antrag der FPÖ zum Rechtsanspruch auf Katastrophenhilfe gestimmt, sagte Guggenbichler und kündigte an, dass er dazu einen Antrag im Gemeinderat einbringen würde. 

GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) erläuterte, laut Wiener Wasser habe es sich beim Unwetter um ein 1.000-jährliches Ereignis gehandelt: „Trotzdem hat der Hochwasserschutz gehalten und Wien hat am nächsten Tag wieder funktioniert - dafür bedanke ich mich bei den tausenden helfenden Händen, die das geschafft haben.“ Nach nur drei Tagen seien auch die zuvor überfluteten U-Bahnen wieder gefahren, das sei eine „großartige Leistung von allen - die Gemeinschaft und Infrastruktur in Wien funktioniert“. Alle Parteien sollten die Themen Klimawandel und Extremwetter ernst nehmen, verlangte Gara: „Es darf bei diesen Themen kein Kleinklein und keine Schaukämpfe zwischen den Parteien geben. Das wollen die Menschen nicht. Klimapolitik darf keine Frage der Ideologie sein, denn es geht um die Zukunft unserer Kinder.“ Es sei eine Fülle von Maßnahmen, die die Dekarobonisierung in Wien ermögliche. Beginnend mit der Sonnenstromoffensive über „Raus aus Gas“ hin zu einem riesigen Umbau der gesamten Infrastruktur. Wien beschreite diesen Weg: „Es gibt sonst kaum eine Stadt, die solche Reformen umsetzt“. Die Politik gebe den Rahmen vor, um diese Maßnahmen und Reformen umsetzen zu können. Wie etwa mit der Wiener Bauordnungsnovelle samt Entsiegelung, Photovoltaik-Ausbau und Dekarbonisierungsverordnung, um aus dem fossilen Zwang auszubrechen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das schaffe Planungssicherheit für die Menschen und gleichzeitig für die Wirtschaft, so Gara. Das Wiener Klimagesetz, das sich derzeit in Begutachtung befindet, würde weitere Sicherheit bieten und werde sich durch die Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen und Betrieben als ein Gewinn für Wirtschaft, Klima und Menschen erweisen, sagte Gara. Es benötige dennoch zusätzliche Spielregeln durch den Bund, doch die ÖVP sei beim Elektrizitätswirtschaftsgesetz „auf die Bremse gestiegen“, das sei Gara „vollkommen unverständlich“. Dieser und weitere Puzzlesteine würden auf dem Weg zur Transformation derzeit fehlen: „Ich erwarte mir, dass die neue Bundesregierung dieses Gesetz schnellstmöglich beschließt und entsprechend umsetzt.“ Vor künftigen Extremwetterereignissen könne man sich nicht unmittelbar schützen, meinte Gara. Deswegen sei eine vorausschauende Stadtplanung notwendig: „Dafür steht diese Stadtregierung, die sich der Herausforderungen bewusst ist und entsprechende Maßnahmen umsetzt“, sagte Gara. (Forts.) nic

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