Maria Berger als neue Vorsitzende der Restitutionskommission der Stadt Wien bestellt
Die ehemalige Justizministerin, zuletzt Richterin am Europäischen Gerichtshof, bereichert das Gremium mit ihrer umfassenden Expertise
Im Rahmen der Bestrebungen zur historischen und rechtlichen Aufarbeitung von während des Nationalsozialismus entzogenen Vermögenswerten hat die Stadt die Wiener Restitutionskommission ins Leben gerufen, um Rückgaben von unrechtmäßig entzogenem Eigentum an die rechtmäßigen Erben oder deren Nachfolger*innen sicherzustellen. Die Position ihres Vorsitzenden ist durch den Tod des emeritierten Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Walter Hellmich, der der Kommission mehr als 25 Jahre lang vorgestanden hatte, vakant geworden.
Der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Michael Ludwig, hat nun auf Vorschlag der Stadträtin für Kultur- und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler, und auf Grundlage der Gemeinderatsbeschlüsse vom 29. April 1999 sowie der beschlossenen Änderung vom 29. April 2011 Frau Bundesministerin a.D. Maria Berger als Nachfolgerin ab 1. Jänner 2025 bestellt. Maria Berger bringt durch ihre langjährige Tätigkeit am Europäischen Gerichtshof eine wertvolle internationale Perspektive mit in die Kommission, deren Arbeit maßgeblich dazu beiträgt, während der NS-Zeit entstandenes Unrecht historisch und rechtlich aufzuarbeiten.
Ludwig: Verantwortung, Licht auf diese dunklen Stellen der Geschichte fallen zu lassen
„Es ist eine Pflichtübung in demokratischer Rechtsprechung und aufrechtem Humanismus, die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Zu dieser Verantwortung der Stadt Wien gehört es, Licht auf diese dunklen Stellen der Geschichte fallen zu lassen, entstandenes Leid anzuerkennen und gegebenenfalls auszugleichen“, betont Bürgermeister Michael Ludwig. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Maria Berger in diese neue Funktion ihre umfassende rechtliche Expertise und ihren am europäischen Recht geschärften Blick einbringen wird. Ich danke ihr, ebenso wie allen anderen Mitgliedern der Wiener Restitutionskommission, für die Bereitschaft, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen.“
Kaup-Hasler: Geschichtsvergessenheit entgegentreten
„Mit der 1999 begonnenen profunden und systematischen Erforschung der Provenienzen der Objekte in städtischen Sammlungen übernahm Wien die aus den Verbrechen der NS-Zeit erwachsene Verantwortung und trat damit Geschichtsvergessenheit entgegen“, führt Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler aus. „Final erschließen kann die Arbeit der Restitutionskommission die Vergangenheit nicht, aber sie schafft es, das historische Bewusstsein wachzuhalten und mit Rückgaben konkretes Unrecht auszugleichen. Sich für diese wichtige und schwierige Aufgabe zu engagieren, dafür danke ich der neuen Vorsitzenden der Kommission, Maria Berger, herzlich.“
„Ich freue mich auf spannende und berührende Fälle, für die ich meine langjährige Erfahrung mit komplexen juristischen und menschlichen Konstellationen nutzen kann“, kommentiert Frau Bundesministerin a.D. Maria Berger ihre Bestellung.
25 Jahre Restitutionsforschung
2024 jährte sich der Gemeinderatsbeschluss von 1999, nach dem alle geraubten und in die Sammlungen der Stadt Wien überführten Objekte, ausnahmslos zu restituieren sind, zum 25. Mal: In der aus Anlass dieses Jubiläums von Wien Museum und Jüdischem Museum Wien konzipierten Ausstellung „Raub“, verknüpfte sich dieser Versuch, konkretes Unrecht wiedergutzumachen, eng mit der Unmöglichkeit, den Holocaust zu „bewältigen“. Neben der Publikation zur Ausstellung und zur Geschichte der schamlosen „Arisierungen“ erschien 2024 auch „In gutem Glauben erworben“, in dem die Restitutionsforscher der Stadt Wien, Christian Mertens (Wienbibliothek), Gerhard Milchram und Michael Wladika (Wien Museum) die Arbeit der vergangenen 25 Jahre resümieren. Die Essays illustrieren nicht nur die Abläufe der Beraubung der jüdischen Bevölkerung, sondern stellen auch die historischen Bezüge und die sozial- und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge dar.
Die Bilanz der 1999 begonnenen konsequenten Rückgabe: Mehr als 2.856 einzelinventarisierte Objekte und 24 Archivboxen aus der Wienbibliothek sowie 4.656 Objekte des Wien Museums - das ist der überwiegende Teil der als unrechtmäßig erworben eingestuften Kunst- und Kulturgegenstände - wurden laut dem zuletzt veröffentlichten Bericht von 2022 restituiert.
Kurzbiografie Maria Berger
Maria Berger, geboren 1956 in Perg in Oberösterreich, studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an der Universität Innsbruck. Dort war sie nach ihrem Abschluss als Universitätsassistentin und Lehrbeauftragte am Institut für öffentliches Recht und Politikwissenschaft tätig. 1984 wechselte sie als Referentin ins Wissenschaftsministerium, 1988 in die Europaabteilung des Bundeskanzleramts, wo sie von 1989 bis 1992 als Leiterin der integrationspolitischen Koordination den EU-Beitritt Österreichs vorbereitete.
1993 folgten Genf und Brüssel, wo die Juristin als EFTA-Direktorin für die Anwendung des EU-Rechts im EWR zuständig war. 1996 wechselte sie als Abgeordnete ins Europaparlament nach Straßburg. Als EU-Parlamentarierin war sie Mitglied des Rechtsausschusses und übernahm 2004 von Hannes Swoboda die Führung der SPÖ-Delegation. 2007 übernahm die langjährige EU-Politikerin unter Kanzler Alfred Gusenbauer das Amt der Bundesministerin für Justiz; Ende 2008 kehrte sie nach Straßburg zurück. Nach Beendigung ihrer politischen Funktionen war sie zehn Jahre lang (2009 - 2019) als Richterin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) tätig.
Maria Berger, die darüber hinaus zu verschiedenen europarechtlichen Themen publizierte, arbeitete als Honorarprofessorin der Universität Wien für das Fach „Europarecht“, ist Ehrensenatorin der Universität Innsbruck und seit 2021 Senatsvorsitzende des Österreichischen Presserats.
2005 erhielt Maria Berger das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Mitglieder der Wiener Restitutionskommission
Im Rahmen der Bestellung von Maria Berger wurden auch die Mandate aller anderen Mitglieder der Restitutionskommission erneuert. Ihre Mitglieder sind:
- Bundesministerin a.D. Maria Berger - VORSITZENDE
- Siegfried Beer, Historiker
- Dieter-Anton Binder, Historiker
- Eva-Maria Höhle, ehem. Generalkonservatorin im Bundesdenkmalamt
- Martin Hassfurther, Jurist, Stadt Wien
- Manfred Hofmann, Notar
- Christian Mertens, Historiker, Wienbibliothek im Rathaus, Stadt Wien
Ersatzmitglieder:
- Michael Lunzer, Notar
- Friedrich Dahm, ehem. Landeskonservator im Bundesdenkmalamt
- Johannes Rumpfhuber, Jurist, Stadt Wien
- Daniel Löcker, Historiker, Kulturabteilung der Stadt Wien
Rückfragehinweis für Medien
- Bernhard Muttenthaler, BA MSc
Mediensprecher des Wiener Bürgermeisters
+43 1 4000-81857
bernhard.muttenthaler@wien.gv.at - Anne Katrin Feßler
Mediensprecherin StRin Mag.a Veronica Kaup-Hasler
+43 1 4000 - 811 91
annekatrin.fessler@wien.gv.at
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