Historischer Rückblick aus dem Jahr 1958

Zusammenfassungen von Meldungen der Rathauskorrespondenz

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Oktober 1958

Oktober

3.10.1958: Ministerpräsident Gerhardsen besuchte das Rathaus

Bürgermeister Jonas begrüßte heute im Wiener Rathaus den norwegischen Ministerpräsidenten Gerhardsen, der derzeit zu einem Staatsbesuch in Wien weilt.

Gerhardsen betonte in seiner Ansprache, wie schön es sei, immer wieder nach Wien zu kommen. Er verriet, dass er schon in den Jahren 1927 und 1929 zu Studienzwecken in Wien gewesen war. Auch er kommt von der Kommunalpolitik, war längere Zeit Vizebürgermeister und vor dem Einmarsch der Deutschen eine ganze Stunde lang sogar Bürgermeister von Oslo.

4.10.1958: Wettbewerb für Sonderschau - Wer entwirft das beste Plakat ohne Beschriftung?

Das Kulturamt der Stadt Wien wird im Rahmen der alljährlichen Ausstellung "die besten Plakate des Jahres" eine Sonderschau zeigen, die versucht, etwas ganz Neues zu bringen. Alle Grafiker, deren Plakatentwürfe innerhalb der letzten Jahre prämiiert wurden, erhielten eine Einladung, sich an einem Wettbewerb zu beteiligen. Die Aufgabe dieses Wettbewerbes besteht darin, ohne Beschriftung, mit den alleinigen Mitteln eines Signets (eines Zeichens, einer Formel) und unter Verwendung von höchstens zwei Farben, ein allgemein verständliches Plakat zu entwerfen.

Die Jury besteht aus den Professoren Hans Fabigan, Hermann Kosel, Kurt Schwarz, Viktor Theodor Slama und Josef Seger.

4.10.1958: Eröffnung einer Wohnhausanlage im 2. Bezirk

Auf Grundstücken von ehemaligen städtischen Lagerhäusern in Wien 2, Vivariumstraße, die im Krieg zerstört worden waren, errichtete die Stadt Wien eine Wohnhausanlage, bestehend aus 15 Häusern mit insgesamt 313 Wohnungen. Die Gesamtfläche des Baugrundes beträgt 13.200 Quadratmeter, wovon 4.120 Quadratmeter verbaut wurden. In der Anlage befindet sich außerdem ein städtischer Kindergarten, zwei Geschäftslokale, eine Gaststätte, ein Mieterlokal usw. Die Baukosten betragen 29 Millionen Schilling. Die Pläne verfassten die Architekten Dipl.-Ing. Arch. Rudolf Angelides, Dipl.-Arch. Ferdinand Zimmermann, Dipl.-Arch. Friedrich Albrecht und Ziv. Arch. Dipl.-Ing. Franz Mörth sowie die Arbeitsgemeinschaft Dr. Fritz Kastner, Edith Matzalik und Friedrich Pangratz.

Für die künstlerische Ausgestaltung sorgten die akademische Malerin Lydia Roppolt mit einem Sgraffito, das sich "Familienidyll" nennt und der akademische Maler R. Markovitsch mit zwei keramischen Mosaiken "Praterbäume" und "Aulandschaft" darstellend.

6.10.1958: Der "stille Zecher" war beim Bürgermeister

Anlässlich seines 70. Geburtstages besuchte heute Hermann Leopoldi Bürgermeister Jonas im Wiener Rathaus. Der "stille Zecher" präsentierte bei dieser Gelegenheit auch seine unter dem Titel "Kommen Sie bitte nach Österreich" gesammelten Werke, die neueste Leopoldi-Platte.

7.10.1958: Antrittsbesuch beim Bürgermeister

Der neue Rektor der Hochschule für Bodenkultur, Prof. Dr. Rehrl, absolvierte heute bei Bürgermeister Jonas seinen Antrittsbesuch.

7.10.1958: Überreichung der Ehrenmedaille an Prof. Tautenhayn

An den Bildhauer Prof. Josef Tautenhayn, der vor kurzem das 90. Lebensjahr vollendet hat, wurde heute die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien überreicht.

Prof. Tautenhayn ist der letzte Meister der Wiener Medailleurkunst.

7.10.1958: Zum ersten Male verliehen: Die Josef Kainz-Medaille der Stadt Wien - Die Ausgezeichneten: Rosa Albach-Retty, Günther Haenel und Leopold Lindtberg

Bürgermeister Jonas überreichte heute zum ersten Male die Josef Kainz-Medaille der Stadt Wien. Jonas betonte in seiner Rede die innige Bindung der Wiener Bevölkerung zu "ihrem" Theater.

Die Stiftung dieser Auszeichnung für die beste schauspielerische bzw. Regieleistung des Jahres hatte der Wiener Gemeinderat anlässlich des 100. Geburtstages von Josef Kainz einstimmig beschlossen.

Rosa Albach-Retty und Günther Haenel erhielten die Auszeichnung für die beste schauspielerische Leistung, Leopold Lindtberg für die beste Regieleistung des Jahres. Rosa Albach-Retty wurde für die Darstellung der Mrs. Edna Savage in John Patricks Komödie "Eine sonderbare Dame" im Akademietheater geehrt, Günther Haenel für die Rolle des Rubaschow in Sidney Kingsleys Schauspiel "Sonnenfinsternis", nach dem Roman von Arthur Koestler im Volkstheater und Leopold Lindtberg für die Inszenierung von Grillparzers Lustspiel "Weh dem der lügt" im Burgtheater.

Ein Beamter des Kulturamtes überreichte Rosa Albach-Retty die Medaille in Bad Ischl.

8.10.1958: Bürgermeister Jonas empfängt russische Bergsteiger

22 russische Bergsteiger, die seit einigen Wochen in Österreich sind, wurden heute von Bürgermeister Jonas empfangen. Die russischen Alpinisten bestiegen schon den Großglockner, waren im Gesäuse und in den Tiroler Bergen.

9.10.1958: Bürgermeister Jonas begrüßte die Mitglieder des Atom-Gouverneurrates

Für die Mitglieder des Gouverneurrates der Internationalen Atomenergiebehörde gab Bürgermeister Jonas im Rathaus einen Empfang.

Jonas gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass Wien zum Sitz der Atomenergiebehörde gewählt worden ist. Er dankte in diesem Zusammenhang auch dem anwesenden türkischen Botschafter, dessen Initiative die österreichische Bundeshauptstadt diese Auszeichnung zu danken hat.

9.10.1958: Überreichung der Bürgerurkunde an Stadtrat a.D. Thaller

Bürgermeister Jonas überreichte heute an Stadtrat a.D. Leopold Thaller die Bürgerurkunde. Der ehemalige Bau-Stadtrat Thaller ist der 120. Bürger der Stadt Wien.

9.10.1958: Die Stadtverwaltung zum Ableben des Papstes

Anlässlich des Ablebens des Papstes Pius XII. hat Bürgermeister Jonas angeordnet, dass alle städtischen Objekte mit Staatsfahnen auf Halbmast oder mit Trauerflor zu beflaggen sind.

11.10.1958: Grundsteinlegung zu einer modernen Lehrwerkstätte

Als Vorsitzender des Vereines "Jugend am Werk" nahm Vbgm. Honay gemeinsam mit Bürgermeister Jonas heute die Grundsteinlegung für den Neubau einer Lehrwerkstätte für das Metall verarbeitende Gewerbe im 20. Bezirk, Lorenz Müller-Gasse, vor.

14.10.1958: Antrittsbesuch des italienischen Botschafters

Der neue italienische Botschafter Guidotti Gastone stattete Bürgermeister Jonas heute seinen Antrittsbesuch ab.

17.10.1958: Südtiroler Platz: Wichtiger Bauabschnitt abgeschlossen - Riesige Materialmengen

Auf der Großbaustelle am Südtiroler Platz geht ein entscheidender Bauabschnitt zu Ende: 70 Prozent der Decke sind fertig gestellt, die die Halle des unterirdischen Verkehrsbauwerks von insgesamt fast 5.000 Quadratmeter Grundfläche überspannt. Über diesen Teil der Decke werden schon in den nächsten Tagen die Straßenbahnlinien 66, 67 und 0 auf ihren endgültigen Gleisen fahren.

Seit dem Baubeginn am 3. Februar dieses Jahres wurde ein gigantische Arbeitsleistung erbracht. Für das Bauwerk, an das sich noch an der Südseite des Platzes der lange Tunnel der Schnellbahn mit den Bahnsteigen ihrer Haltestelle Südtiroler Platz anschließt, mussten bisher etwa 68.000 Kubikmeter Erdmaterial ausgehoben und weggeführt werden. Die riesigen Aushubmengen lieferten für die Arbeiten der Stadt Wien im Freudenauer Hafengebiet willkommenes Schüttmaterial. Die tiefsten Fundamente reichen bis etwa 13 Meter unter das Straßenniveau. Ungefähr auf gleicher Höhe liegt der große Sammelkanal, mit dessen Umbau zwischen der Favoritenstraße im 10. Bezirk und Südtiroler Platz bereits im abgelaufenen Winter begonnen wurde.

17.10.1958: Hohe Auszeichnung für den Wiener Stadtbaudirektion

Bundespräsident Schärf hat dem Stadtbaudirektor von Wien, Hochschulprofessor Dipl.-Ing. Dr. Techn. Aladar Pecht, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen. Die Auszeichnung wurde von Bundesminister Dr. Drimmel überreicht.

17.10.1958: Belastungsprobe der Freudenauer Hafenbrücke

28 schotterbeladene Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von 320.000 Kilogramm haben heute die vor der Vollendung stehende Freudenauer Hafenbrücke auf ihre Tragfähigkeit überprüft.

Die 350 Meter lange Brücke, mit derem Bau im Oktober 1956 begonnen wurde, ist so gut wie fertig. Es müssen nur noch die Stiegengeländer und die Straßenbeleuchtung montiert werden.

18.10.1958: "Blaue Zone" in der Innenstadt - Parkometer für Graben, Am Hof, Neuer Markt und Hoher Markt - Erste Sitzung der vom Stadtsenat eingesetzten Kommission

Heute hielt die in dieser Woche vom Stadtsenat eingesetzte Kommission im Rathaus ihre erste Sitzung ab, um sich mit dem Problem der Einschränkung des Dauerparkens zu beschäftigen. Der Kommission gehören die Stadträte Afritsch, Heller, Koci, Lakowitsch, Magistratsdirektor Dr. Kinzl sowie mehrere Fachbeamte des Magistrates und Vertreter der Bundespolizeidirektion an. Die Vorschläge der Kommission werden der Wiener Landesregierung zur Entscheidung vorgelegt werden.

In der Sitzung wurde allgemein die Auffassung vertreten, dass eine so genannte "Blaue Zone" im Kern der Inneren Stadt geschaffen werden müsse. In diesem Bereich soll das Parken in der Zeit von 8 bis 18 Uhr nur ungefähr eine Stunde gestattet sein. Die Kontrolle erfolgt durch Parkscheiben, die jeder Kraftfahrer deutlich sichtbar in seinem Wagen anzubringen hat. Die Zone wird voraussichtlich von folgenden Verkehrsflächen begrenzt sein: Tiefer Graben, Strauchgasse, Herrengasse, Michaelergasse, Augustinerstraße, Führichgasse, Annagasse, Seilerstätte, Stubenbastei, Postgasse, Bäckerstraße, Lugeck, Hoher Markt und Wipplingerstraße.

Die Kommission trat auch für die Aufstellung von Parkometern auf dem Graben, dem Hof, auf dem Neuen Markt und auf dem Hohen Markt ein. Diese "blaue Zone" und die Parkometer sollen zunächst einen Versuch zur Lösung des Problemes der Parkzeitbeschränkung darstellen.

25.10.1958: Die Atomphysikerin Lise Meitner - Bürger der Stadt Wien

Der Wiener Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, die Atomphysikerin Prof. Dr. Lise Meitner anlässlich der Vollendung ihres 80. Lebensjahres in Würdigung ihrer Leistungen auf wissenschaftlichem Gebiet zum Bürger der Stadt Wien zu ernennen.

Lise Meitner wurde am 7. November 1878 in Wien geboren. Als eine der ersten weiblichen Studenten absolvierte sie die Matura, studierte zunächst an der Wiener Universität bei Boltzmann und promovierte im Jahre 1906 zum Doktor phil. In Berlin setzte sie bei Wilhelm Exner und Max Plank, dem Schöpfer der Quantentheorie, ihr Studium der theoretischen Physik fort und wurde auch bei Plank Assistentin. Im Jahre 1913 wurde sie wissenschaftliches Mitglied des Kaiser Wilhelm-Institutes für Chemie in Berlin-Dahlem, richtete dort 1917 die physikalische Abteilung ein und wurde mit deren Leitung betraut. Bis 1938 blieb sie in dieser Stellung. Als erste Frau in Deutschland erhielt sie den Titel eines Professors und erhielt 1926 eine Berufung an die Universität Berlin. 1933 wurde sie von den Nationalsozialisten von der Universität entfernt, blieb aber weiterhin am Kaiser Wilhelm-Institut. 1938, als die Nationalsozialisten Österreich besetzten, verlor sie ihren österreichischen Pass und emigrierte nach Holland und von dort über Dänemark nach Schweden, wo sie im Nobel-Institut in Stockholm weiterarbeiten konnte. Im Jahre 1946 war sie "Visitingprofessor in USA". Im gleichen Jahr wurde sie Leiterin einer Abteilung für Kernphysik im physikalischen Institut der Technischen Hochschule in Stockholm. Sie erhielt 1935 den "Otto Hahn-Preis", der nur bedeutenden Physikern verliehen wurde. 1947 wurde ihr der Preis der Stadt Wien für Naturwissenschaften verliehen. 1950 wurde sie Doktor h.c. und korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (als erste und einzige Frau). 1958 wurde sie gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Erwin Schrödinger mit dem höchsten Kulturpreis der Bundesrepublik Deutschland, dem "Pour le merite" ausgezeichnet.

Lise Meitner hat wesentlichen Anteil am Aufbau der Kernphysik und an deren praktischer Auswertung für die Atomenergie. Schon in ihren Arbeiten "Der Aufbau der Atomkerne" (1935) hatte sie, als Frucht ihrer jahrzehntelangen experimentellen Tätigkeit, den Zerfall der Elemente erkannt. Ihre physikalischen Untersuchungen hat sie in rund 120 Publikationen festgehalten. Alle Gebiete der Kernphysik, der Radioaktivität und der Atomzertrümmerung sind von ihr behandelt worden und vielfach hat sie neue Wege und neue Ergebnisse vorweisen können.

28.10.1958: Bürgermeister Jonas nach Straßburg abgereist

Bürgermeister Jonas ist heute nach Straßburg abgereist, um dort die Insignien des der Stadt Wien zuerkannten Europa-Preises für das Jahr 1958 in Empfang zu nehmen.

28.10.1958: Überreichung der Ehrenmedaille an Hofrat Prof. Dr. Gregor

Der bekannte Schriftsteller, Hofrat Prof. Dr. Joseph Gregor, erhielt heute die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien durch Vbgm. Honay überreicht.

28.10.1958: Wirksames Mäzenatentum durch die Zentralsparkasse - Stadtrat Afritsch übergab 21 Förderungsbeiträge des Wiener Kunstfonds

Die vierte Überreichung von Förderungsbeiträgen aus dem "Wiener Kunstfonds" der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien wurde heute von StR. Afritsch vorgenommen. Die Preisträger sind:

Bildende Kunst:

  • Günther Pöll
  • Ursula Kröber
  • Ada Gsteu-Lücking
  • Ferry Zotter
  • Künstlervereinigung Neuer Hagenbund
  • Artur Hecke
  • Joana Steinlechner-Bichler

Darstellende Kunst:

  • Helmut Schafschetzy
  • Edburga Euller

Musik:

  • Heinz Hanke
  • Operngruppe Franz Eugen Dostal
  • Leopold Buchmann
  • Gerhard Lentner
  • Prof. Walter Koch
  • Edwin Werner
  • Maria-Theresa Escribano-Thorn
  • Dr. Johannes Brockt

Literatur:

  • Melanie Schischmanow
  • Herta Staub
  • Fritz Seelig
  • Käthe Braun-Prager

31.10.1958: Mitglieder der Gemeindevermittlungsämter werden angelobt - Eine wertvolle Institution, die die Gerichte entlastet

In Wien gibt es einen nun bald hundert Jahre alte Einrichtung, die so genannten Gemeindevermittlungsämter. Diese Vermittlungsämter, die bei allen Bezirksvorstehungen bestehen, haben die Aufgabe, in Ehrenbeleidigungssachen Sühneversuche zwischen den streitenden Parteien vorzunehmen, aber auch bei Geldforderungen, Grenz- oder Besitzstreitigkeiten den Abschluss eines Vergleiches zwischen den Parteien zu vermitteln. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass eingebrachte Privatklagen in solchen Dingen zuerst dem Gemeindevermittlungsamt zu übermitteln sind. Wird bei den Sühneversuchen ein Ausgleich gefunden, werden Vergleiche abgeschlossen, so haben sie rechtliche die gleiche Wirksamkeit wie gerichtliche Vergleiche. Die Gemeindevermittlungsämter haben also die Aufgabe, die Gerichte zu entlasten und kostspielige Prozesse zu vermeiden.

Die Mitglieder der Wiener Gemeindevermittlungsämter werden vom Wiener Gemeinderat jeweils auf die Dauer von drei Jahren neu gewählt und dann vom Bürgermeister angelobt.